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des Königs die Regentschaft des Landes. Des Königs Krankheit dauerte noch
über 2 Jahre. Er verlebte diese schwere Zeit in dem stillen Sanssouci, wo
er am 2. Januar 1861 starb. In der Friedenskirche zu Potsdam liegt er
begraben. Er hat stets das Beste seines Volkes gewollt, aber doch viel Böses
erfahren. Während seiner Regierung nahm Preußens Ansehen infolge seiner
Nachgiebigkeit gegen Österreich, die sich besonders im Vertrage von Olmütz
zeigte, bedeutend ab.
Der Mann, dem die Einigung Deutschlands gelingen sollte, war der Bruder und
Nachfolger Friedrich Wilhelms IV.,
B. Wilhelm I. von Preußen. 1861—1888.
Wahlsprnch: „Gott mit uns."
1. Seine Jugend fiel, ebenso wie die seines Bruders, in die Zeit der schmachvollen
Erniedrigung und glorreichen Erhebung Preußens und Deutschlands. Er wurde am
22. März 1797 als zweiter Sohn Friedrich Wilhelms in. und der Königin Luise ge¬
boren. Als Knabe war der Prinz sehr schwächlich, und seine Mutter hatte oft große
Sorge um ihn. Preußens Schmach und Unglück machten einen unauslöschlichen Ein¬
druck auf ihn. 1806 flüchtete er mit seinen Eltern nach Königsberg und von dort mitten
im kalten Winter 1807 über die furische Nehrung nach Memel. Auf dieser Flucht hatte
er steh eine heftige Erkältung zugezogen, so daß er mehrere Monate am Nervenfieber
krank darnieder lag. Am 19. Juli 1810, 13 Jahre alt, stand er tief erschüttert an dem
Sterbebette seiner teuren Mutter, deren Andenken er noch als Greis bei jeder Gelegen¬
heit ehrte. Als 1813 der erste Befreiungskrieg entbrannte und der König mit dem
Kronprinzen zur Armee ging, wäre ihm Prinz Wilhelm gern gefolgt, mußte jedoch
ferner schwächlichen Gesundheit wegen zurückbleiben. Erst nach der Völkerschlacht bei
Leipzig durfte er sich der Armee Blüchers anschließen. Er überschritt mit diesem in der
Neujahrsnacht 1813—14 den Rhein und gab auf Frankreichs Schlachtfeldern, besonders
bei Bar-sur-Aube (Barsürohb), wiederholt Proben seines Mutes und seiner Unerschrocken¬
heit, so daß er mit dem eisernen Kreuze und mit dem russischen St. Georgsorden ge¬
schmückt wurde. Auch in Paris zog er mit ein. Nach den Befreiungskriegen widmete
er sich mit ganzer Seele besonders dem Soldatenstande. Bald war er für alle Soldaten
ein leuchtendes Beispiel treuer Pflichterfüllung.
2. §is 1861. 1829 vermählte sich Prinz Wilhelm mit der Prinzessin Augusta
von Sachsen-Weimar. Die ersten Jahre nach seiner Verheiratung verlebte das
prinzliche Paar meist in stiller Einfachheit auf dem Schlosse Babelsberg bei Potsdam.
Am 18. Oktober 1831, dem Jahrestage der Völkerschlacht bei Leipzig, wurde es durch
die Geburt eines Sohnes, des späteren Kaisers Friedrich III., beglückt. Sieben Jahre
später folgte eine Tochter, Luise, die jetzige Großherzogin von Baden. Als 1840 nach
dem Tode seines Vaters sein kinderloser Bruder den Thron bestieg, erhielt Prinz Wil¬
helm als einstiger Thronfolger den Titel „Prinz von Preußen". Gleichzeitig
wurde er Statthalter von Pommern und Vorsitzender des Staatsministeriums. So
hatte er reichlich Gelegenheit, sich auf seine spätere Regierung vorzubereiten. Seine
Hanptsorge aber widmete er dem preußischen Heere. Durch ihn wurde 1843 die Be¬
kleidung und Ausrüstung der Soldaten verbessert, der Waffenrock, der blanke Helm, das
Lederzeug, das Gepäck, der Tornister, alles so eingeführt, wie es sich im wesentlichen
bis heute erhalten hat. Bald darauf erhielt das preußische Heer das 1835 von Dreyße
m Sömmerda erfundene vortreffliche Zündnadelgewehr.
Bei der Märzrevolution 1848 richtete sich der Haß der Berliner besonders
gegen das Militär und den Prinzen von Preußen, der die eigentliche Seele der Armee
war. Er galt als ein heftiger Gegner der erstrebten Verfassung, dagegen als eine
Hauptstütze der unbeschränkten Monarchie. • Zwar wünschte auch er dem Lande eine Ver¬
fassung, vor dem Erlasse derselben aber die Unterdrückung des Aufstandes mit Waffen¬
gewalt. Daher wuchs die Aufregung gegen ihn so sehr, daß ihm der König riet, auf
einige Zeit nach England zu gehen. Er folgte dem Rate, kehrte jedoch schon Anfang
^rnu wieder nach Berlin zurück, wurde zum Abgeordneten in die preußische National-