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5. Seine Sorge für den Frieden. In den Tagen tiefsten Leides,
als die Hand des Todes sich auf Kaiser Wilhelm I. und Kaiser Friedrich
legte, war Prinz Wilhelm der Hoffnungsstern des preußischen, des
deutschen Volkes. Wenn er damals als Stellvertreter des Vaters in
den Straßen Berlins sich zeigte, wurde er mit einem Jubelsturm be¬
grüßt, der an die rauschenden Kundgebungen für Kaiser Wilhelm I.
erinnerte. Und diese zuversichtliche Hoffnung des Volkes ist nicht ge¬
täuscht morden. Wilhelm II. ist ein echter Hohenzoller. Als ob der
Geist Kaiser Wilhelms I. in ihm fortlebe, so glücklich fühlt sich das
Volk unter seinem Scepter, so vertrauensvoll blickt es in die Zukunft.
Wie fehr er bemüht ist, Deutschland zu einem Hort des Friedens zu
machen, das beweisen seine großen Reisen zu den nordischen Herrschern
und zu den verbündeten Fürsten in Süddeutschland, Österreich und
Italien, und später aus Veranlassung der Vermählung seiner Schwester
Sophie mit dem Kronprinzen von Griechenland seine Reise nach Athen
und Konstantinopel, der Hauptstadt des Türkenreiches. Ganz Europa
blickt bewundernd aus ihn als den Schirmherrn des Friedens.
6. Sorge für Volkswohl. a) Sorge für die Lohnarbeiter.
Ganz im Sinne seines Großvaters, der erklärt hatte, die socialen
Schäden sollten nicht bloß auf dem Wege der Repression (Abwehr),
sondern auf dem positiver Förderung des Volkswohles geheilt werden,
wirkt Kaiser Wilhelm II. für die Verbesserung der Verhältnisse
der Lohnarbeiter. Aus seine Veranlassung wurden die Beschwerden
der Bergarbeiter untersucht, die sich über zu lange Arbeitszeit und zu
niedrige Lohne beklagten. Die Folge war, daß in allen staatlichen
Bergwerken manche Übelstände beseitigt wurden und die übrigen Berg¬
werke solchem Beispiele folgten. 1890 fand auf Anregung des Kaisers
in Berlin eine Versammlung statt von Abgeordneten aus den meisten
europäischen Staaten, um über Mittel und Wege zu beraten, wie am
zweckmäßigsten die Lage der Arbeiter zu verbessern sei. Gegenstände
der Beratung waren die Arbeitszeit, Frauen- und Kinderarbeit und
Sonntagsruhe. In Deutschland wurden auch entsprechende Gesetze
zum Schutze der Arbeiter gegeben; die anderen Staaten sind leider
noch im Rückstände.
Das wichtigste Gesetz, welches unbedingt eine wahre Wohlthat
für den Arbeiterstand ist, erschien 1891. Es betrifft die Jnvalidi-
täts- und Altersversicherung. Derselben müssen alle beitreten,
die 16 Jahre alt sind und Lohn empfangen. Die Höhe der Beiträge
richtet sich nach dem jährlichen Verdienst. Der Arbeitgeber zahlt ebenso
viel wie der Arbeiter. Jeder Versicherte erhält eine lebenslängliche
Rente, wenn er erwerbsunfähig oder 70 Jahre alt ist. Die Zahl der
Versicherten beträgt schon elf Millionen und wird noch weiter steigen.
Kein Staat der Erde kann eine ähnliche Fürsorge für die Armen und
wirtschaftlich Schwachen ausweisen; sie bezeugt die Erfüllung des
Kaiserwortes: „Mein Leben und Meine Kraft gehören Meinem