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Wie der Kaiser, so blickt auch das ganze Volk in Liebe und Dank¬
barkeit auf die Kaiserin, die in ihrem edlen Wesen und Wirken als
eine zweite Königin Luise erscheint. Der Grundzug ihres Wesens ist
echt christliche deutsche Gesinnung, die sie einer sorgfältigen Erziehung
seitens ihrer frommen deutschgesinnten Eltern verdankt.
Sie wurde geboren am 22. Oktober 1858 aus Schloß Dolzig in der
Provinz Brandenburg. Ihr Vater war der Erbprinz von Schleswig-
Holstein-Sonderburg-Augustenburg, der damals in Dolzig seinen Wohn¬
sitz hatte. Nach ihren beiden Taufpaten, der Kaiserin Augusta und
der Kronprinzessin Victoria, erhielt sie den Namen Auguste Victoria.
1869 bezogen ihre Eltern das Schloß Primkenau in Schlesien. Dort
führte die fürstliche Familie in ländlicher Abgeschlossenheit ein so glück¬
liches heiteres Leben, wie es von dem Leben in Paretz und Bornstedt
berichtet wird. Zur weiteren Ausbildung wurde die Tochter ins Aus¬
land zu Verwandten geschickt. 2y2 Jahr verlebte sie bei einer Tante
in Südfrankreich, wo sie in der französischen Sprache und in der
Musik trefflichen Unterricht fand.
Nach ihrer Rückkehr ins Elternhaus wurde sie konsirmiert in der
Dorfkirche zu Primkenau. Nach der feierlichen Handlung ermahnte
sie der Vater, sowohl ihres Konfirmationsspruches: „Sei getreu bis
in den Tod, so will ich Dir die Krone des ewigen Lebens geben",
wie auch des Wahlspruches ihrer Familie:
„Ohn' Gottes Gunst
all Thun umsunst"
immerdar eingedenk zu bleiben. Eine Mahnung, der sie treulich ge¬
folgt ist. lind Gottev Gunst hat ihr nicht gesehlt. Schon bei einem
Aufenthalt in London war sie mit dem Prinzen Wilhelm von Preußen
zusammengetroffen, und ihre Anmut und hoheitsvolle Gestalt hatte einen
tiefen Eindruck auf ihn gemacht. Als er sie dann später bei einem
Besuche ihrer Eltern in Primkenau wiedersah, stand der Entschluß
fest, btefe und keine andere als Gattin zu wählen. Die Verlobung
des jungen Paares erregte in ganz Preußen, ja in ganz Deutschland
große Freude: Schleswig-Holsteins Fürstentochter war erkoren, Deutsch¬
lands künftige Kaiserin zu sein. Zu ihrer Vermählung in Berlin
wurden aus allen Teilen des Reiches reiche Geschenke der Liebe ae-
sandt. y
Das junge Paar nahm seinen Wohnsitz in dem Schlosse zu Pots¬
dam, wo em reiches Familienglück ihnen erblühte. Sechs Prinzen und eine
Prmzemn erhöhen das Elternglück; sie sind die Freude der Eltern
die Hoffnung des Vaterlandes. Die Mutter erzieht sie gemäß der
Weisung des Herrn: „Lasset die Kindlein zu mir kommen",
s 'l, Sorgfalt, Liebe und Pflege, die sie ihren Kindern anqe-
dethen latzt, widmet die Kaiserin als eine echte Landesmutter auch
den Armen und Kranken, ihren Landeskindern.
^ ^J^er Engel kommt sie in die Armen- und Krankenhäuser.
Elisabeth-Kmderhospital in Berlin hat sie unter ihre besondere