Luisen's Wirken; Der Besuch in St. Petersburg. 395
täglich, daß er sie segne und seinen guten Geist nicht von ihnen nehmen möge.
Erhält Gott sie uns, so erhält er meine besten Schätze, die mir Niemand ent¬
reißen kann. Es mag kommen, was da will, mit und in der Vereinigung mit
unseren guten Kindern werden wir glückselig sein."
An Allem, was zur Vorbereitung von Preußens Wiedererhebung, zur
Pflanzung eines besseren Geistes im Volke geschah, nahm die Königin den
lebhaftesten Antheil. Sie war es besonders gewesen, die den Wiedereintritt
Stein's in den Staatsdienst befördert hatte, auch trat sie versöhnend und ver¬
mittelnd ein, wenn hier und da empfindliche Gereiztheit das gute Einver¬
nehmen zu stören drohte.
Damals regten sich auch bereits die ersten Zeichen des religiösen Auf¬
schwunges, der in dem Befreiungskriege den Fürsten und Völkern zum Siege
verhalf. Die Königin war eine der ersten, die erkannten, daß des Vaterlandes
Erhebung durch die sittliche Wiederbelebung vorbereitet werden müsse, und
mit Freuden begrüßte sie die Vorboten des Glaubens, dessen Wahrheit das
geschwächte Vaterland wieder kräftiger und frei machen sollte. „Weil wir
abgefallen, darum sind wir gesunken," das wurde ihr immer klarer, und in
ihrem lebendigen Glauben wurde sie die still waltende Gärtnerin jedes edlen
Keimes wiedererwachenden christlichen Lebens.
Am Ende des Jahres 1808 war dem Königspaare eine Zeit hohen
Genusses zugedacht durch einen Besuch, den dasselbe auf Alexander's Einla¬
dung in Petersburg machte. Auf dem ganzen Wege wurde von russischer Seite
Alles aufgeboten, um ihnen den festlichsten Empfang zu bereiten. Je tiefer
Napoleon sie zu beugen gesucht hatte, desto höher wollte Alexander sie in seinen
Landen geehrt wissen. In Petersburg selbst wurden sie mit rührendster Herz¬
lichkeit und zugleich mit beispiellosem Glanze aufgenommen: Festlichkeiten
reiheten sich an Festlichkeiten, und Alles war bemüht, den edlen Gästen den
Zoll wahrer tiefer Verehrung darzubringen. Aller Glanz und alle Huldi¬
gungen vermochten jedoch der Königin keine unbefangene Freude mehr zu be¬
reiten. „Ich bin gekommen, wie ich gegangen," schrieb sie nach ihrer Rückkehr
nach Preußen, „Nichts blendet mich mehr, und ich sage Ihnen noch einmal:
„„Mein Reich ist nicht von dieser Welt.""
Am meisten hatten sie auch in Petersburg die Anstalten für Erziehung
und für Wohlthätigkeit interessirt. Als die Kaiserin-Mutter ihr das adelige
Fräuleiustist für 360 junge Mädchen zeigte und Luise sich in der Unterhal¬
tung mit ihnen von der guten Erziehung überzeugte, die ihnen durch die
landesmütterliche Fürsorge da zu Theil wurde, wünschte sie, bald so ver¬
mögend zu sein, um es diesem Beispiele in Preußen nachzuthun. Sie erlebte
die Verwirklichung dieses Wunsches nicht; erst ihrem Andenken wurde später
am ersten Jahrestage ihres Todes die Luisenstiftung geweiht, eine
weibliche Bildungsanstalt, welcher Friedrich Wilhelm die edle Bestimmung gab,
die Tugenden der Königin, ihren frommen Sinn, ihr reines Herz, ihre schöne
^Leele, ihre Treue als Gattiu und Mutter in der Frauenwelt fortzupflanzen.
Schon in Petersburg war Luise leider von Unwohlsein ergriffen worden,
welches man einer Erkältung zuschrieb; es ging damals vorüber, kehrte aber
bald nach der Rückkehr nach Preußen in bedenklicherer Weise wieder. Den
ganzen Sommer 1809 hindurch fühlte sie sich sehr leidend, ein kaltes Fieber