Hallig Hoogs.
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Ls ist das Land, wo einst vor vielen Jahren
die Wiege meiner treuen Mutter stand,
Z. wo ihr des Lebens schöner Frühlingsmorgen
gelacht, wo Elternliebe sie umfing,
und wo in Sorgen sie ihr Glück geborgen,
als heimatlos sie in die Fremde ging.
4. Scheint auch ein Fleckchen Erde so verlassen,
so klein und unbedeutend unserm Blick,
es kann das tiefste Menschenelend fassen,
und tragen kann's das höchste Menschenglück!
5. Mich zieht's oft mächtig nach dem kleinen Lande,
und Frieden suchend bin ich hingeeilt¬
es knüpfen der Erinn'rung heil'ge Lande
mein Herz daran, und gern hab' ich geweilt.
6. Heut stand ich wieder dort am Strand und schaute
hinauf aufs Meer und lauschte seinem Klang,
das, unterbrochen auch von keinem Laute,
mir feine schwermutsvolle weife sang.
7. Doch sah ich — mich beschlich ein banger Schauer —
um mich nur Lilder der Vergänglichkeit.
Mein Ländchen, ach, ich denke dran mit Trauer,
daß schuldlos es dem Untergang geweiht!
8. Sein Ufer ist zerklüftet und zerissen,
die welle rollt ins Land mit gier'ger Lust,
als sehne sich das Meer, es zu umschließen
und wild hinabzuzieh'n an seine Brust.
y. Noch bebt es nicht, ob hoch sich wogen türmen,
noch bietet es der Heimat sichern Port
so vielen, die, vertraut den Meeresstürmen,
ihr Brot und Glück und Frieden fanden dort.
lO. wie lange noch? wer löst der Zukunft Siegel
dem Fragenden, daß sie ihm Untwort beut?
Venn unaufhaltsam regt die mächt'gen Flügel
die große Weltenwandlerin, die Zeit.
Ñus „Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde.
Hrsg. v. Vr. Ñ. Kirchhofs. Stuttgart 1892, VI, S. 342/43.
Tromnau, Lesebuch für Mittelschulen. IV. M. 3