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richtung des Lit de justice1) umgangen; daher wurde die politische
Macht der Hugenotten, deren Güter und religiöse Freiheit unangetastet
blieben, durch Einnahme ihres Sicherheitsplatzes La Röchelte gebrochen;
daher wurden endlich die seit Heinrich IV. gegen eine Abgabe erblichen
und daher unabsetzbaren Beamten durch Ernennung von sogen. Inten¬
danten, absetzbaren Regierungsbeamten, die jene zu kontrollieren hatten,
ihrer Unabhängigkeit beraubt. Mit einem Worte: „der Begriff der
unnahbaren Staatsgewalt hing wie ein bloßes Schwert über allen
Gegnern."
Auch auf dem Gebiete der Wissenschaft machte sich Richelieu einen
Namen: er stiftete 1631 die Academie frangaise zur Ausbildung
der französischen Sprache, und in demselben Jahre begründete er die
erste Zeitung: Gazette de France, die regelmäßig allwöchentlich erschien.
^Auswärtige Politik.] In seiner antihabsburgischeu Politik
hatte Richelieu nicht minder große Erfolge aufzuweisen: es ist bekannt,
wie er die Protestanten im Dreißigjährigen Kriege gegen den Kaiser
unterstützte und in den Besitz des österreichischen Elsasses gelangte.
Mit Spanien führte er seit 1635 einen offenen Krieg, der 24 Jahre
dauerte; es war die Zeit, wo die französische Flotte zu Ansehn und
Ehren kam uud in Westindien die spanischen Inseln Martinique und
St. Guadeloupe eroberte, wo auch Portugal mit französischer Unter¬
stützung das spanische Joch abwarf und unter dem Haufe Braganza
die Selbständigkeit wieder erwarb. Kurz nach einander starben Richelieu
uud sein König; Richelieu hatte noch einen gewiegten Staatsmann,
Giulio Mazzarini [bfchulio mazzcmni], bekannter unter dem Namen
Mazarin, als seinen Nachfolger empfohlen. Dieser war aus päpstlichen
Diensten in französische übergetreten und hatte sich die Grundsätze
Richelieus, dem er an Geschmeidigkeit, aber nicht an geistiger Kraft
überlegen war, vollständig angeeignet.
4. Ludwig XIV. 1643—1715.
§ 6. Die Herrschaft Mazarins 1643—1661. [Regentschaft
Annas. Die Fronde 1648—1655.] Ludwigs XIII. Sohn Lud¬
wig XIV. war erst fünfjährig, als er König wurde; feine Mutter
Anna, eine spanische Prinzessin, führte zunächst die Regentschaft, und
*) Lit de justice war eine feierliche Sitzung in Gegenwart des Königs,
wo nach altem Herkommen jeder Widerspruch verstummen mußte; solche Sitznngen
benntzte also die Regierung, um Erlasse in das Parlamentsregister eintragen zu lassen.