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Doch sein erstes Geschäft war abermals — das Reich wieder zu
theilen; und hieran dachte der thörichte Greis, nicht an die Araber und
Normannen, nicht an die treulosen Sendboten, welche das Volk bedrückten,
anstatt es vor den Bedrückungen der Großen zu schützen. Er dachte nicht
daran, wie die geistliche Macht der weltlichen über den Kopf wuchs, be-
freiete vielmehr die Güter der Geistlichkeit von allen Abgaben und bewil¬
ligte auch dem Klerus eigene Gerichtsbarkeit. Dafür empfing er den Bei¬
namen „des Frommen", aber Karl der Große, der auch fromm war, hätte
doch sein Recht besser gewahrt.
Im Jahre 838 starb Ludwig's Sohn Pipin. Da wollte der Kaiser,
von seiner Gemahlin verführt, zwischen Lothar, dem er Alles verziehen
hatte, und seinem Liebling Karl theilen; Pipin's Söhne sollten ausge¬
schlossen sein und Ludwig, der Sohn, blos Bayern erhalten. Aber die
Aquitanier erhoben sich für den Sohn ihres gestorbenen Königs Pipin und
Ludwig zog gegen seinen Vater in's Feld (840). Da ward der alte Kai¬
ser plötzlich krank und starb auf einer Insel im Rhein, Ingelheim, so
kläglich, wie er gelebt hatte. Im Irrsinn glaubte er den bösen Feind vor
seinem Todtenbette zu sehen und wollte ihn verscheuchen. Der böse Feind
war aber die Zwietracht, die goß an seiner Leiche den Fluch der Ohn¬
macht aus über sein Geschlecht dafür, daß er Land und Leute wie ein
Stück Ackerland zerstückelte und selber nicht zu regieren wußte.
3. Der Kamps der Brüder.
Nach dem Tode Ludwig's des Frommen kam die Treulosigkeit Lo-
thar's erst recht an den Tag und dessen Bruder Karl erkannte, daß Lothar
es mit ihm eben so falsch meine, wie mit seinem andern Bruder Ludwig,
welcher „der Deutsche" hieß. Lothar, weil er den Kaisertitel führte, wollte
auch alle Länder weiland Karl's des Großen für sich haben. Darum ver¬
banden sich nun die Brüder Karl und Ludwig gegen Lothar, dieser aber
schloß mit seinem Neffen, dem jungen Pipin von Aquitanien, Bundesfreund¬
schaft. So standen sich die Könige eines Blutes feindlich gegenüber.
Bei Fontenaille, im Jahre 841, ward eine große Schlacht gekämpft, da
mußten 40,000 Menschen für die bösen Gelüste der Könige ihr Leben
lassen. Lothar ward geschlagen, floh aber nach Deutschland, welches Lud¬
wig beherrschte, um diesen in seinem eigenen Reiche zu verderben. Zum
Deckmantel seiner Bosheit mißbrauchte Lothar die Freiheitsliebe des Sach¬
senvolkes und erklärte, daß alle Adeligen dort im Lande keine Güter mehr
haben, die Freien und Freigelassenen (Frilinge und Lite), welche zur Zeit
Karl's des Großen meist hörige (dienstbare) Leute geworden waren, ihre
alten Rechte jetzt wieder bekommen sollten. In Heller Freude erhoben
sich nun jene und es ward ein großer Bund geschlossen, der Bund der
„Stellinger", d. i. der Wiederherstelle der alten sächsischen Stammver¬
fassung und der Unabhängigkeit von den Franken. Diese vertrieben nun
die wegen des Zehnten ihnen verhaßten christlichen Priester und auch viele
Edelinge (Adelige). Darüber wurden die Bischöfe und der Adel dem