Full text: Das Mittelalter (Theil 2)

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fmb sie auch die Stellvertreter Jesu Christi auf Erden und nur ihm und 
Gott für ihre Handlungen verantwortlich, nicht aber den weltlichen Fürsten. 
Darum kann auch nach göttlichem Rechte weder das römische Volk noch 
der Kaiser (wie bisher) einen Priester zum Papste erwählen, sondern es 
bestimmt diesen der heiligeGeistselbst, welcher einen besondern Aus¬ 
schuß von Erzpriestern oder Cardin älen*) dazu erleuchtet. Darum 
kann den Papst auch Niemand richten und absetzen, selbst keine Kirchen¬ 
versammlung. Und weil der Papst als Stellvertreter Gottes auf Erden 
ein ewiges Reich beherrscht, muß des Kaisers zeitliche Würde und Ge¬ 
walt erst durch den Papst geheiligt werden, der ihm die Krone aufsetzt, 
gleichwie auch der Mond erst sein Licht von der Sonne empfängt. So 
dachte Gregor, aber er war auch der Mann dazu, diesen kühnen Ge¬ 
danken in's Werk zu setzen und die Herrschaft der Kirche (Hierarchie) 
trotz allem Widerstand zu gründen. 
Drei Mittel waren es besonders, durch welche Gregor seinen kühnen 
und großen Zweck erreichte. Das erste war, daß er die S i m o n i e ab¬ 
schaffte, d. h. den Kauf und Verkauf geistlicher Aemter, welchen ärgerlichen 
Handel man mit dem Verbrechen des Simon verglich, von welchem in 
der Apostelgeschichte Kap. 8, V. 9 erzählt wird. Das andere war, daß 
die weltlichen Fürsten nicht mehr das Recht haben sollten, die Geistlichen 
in ihren Aemtern und Würden zu bestätigen, sondern daß dieses Recht 
einzig dem Papste verbleibe. Als Zeichen seiner Würde empfing der Bischof 
einen Ring und einen Stab und das nannte man Investitur, d. i. 
Bekleidung. Das Jnvestiturrecht wurde also den Fürsten genommen. 
Damit aber die Geistlichen wegen Versorgung ihrer Kinder nicht von den 
weltlichen Herrschern mehr abhängig sein sollten, verordnete Gregor drit¬ 
tens den Cölibat oder die Ehelosigkeit der Geistlichen. 
Es war allerdings hohe Zeit, daß eine schärfere Kirchenzucht und 
strengere Ordnung unter den Geistlichen eingeführt wurde. Der Handel 
mit den geistlichen Stellen wurde auf eine höchst schamlose Weise getrieben 
und vorzüglich während der Minderjährigkeit Heinrich's IV. wurden die 
erledigten Bisthümer und Abteien oft den Meistbietenden verkauft. Die 
Bischöfe verkauften dann wieder ihrerseits alle von ihnen zu ertheilenden 
geistlichen Würden. So bekam mancher eine sehr einträgliche Stelle, der 
ihrer gar nicht würdig war. Nun aber mußte jeder Geistliche ein an¬ 
deres Leben führen, wenn er nicht seines Amtes wieder entsetzt werden 
wollte. Der schwierigste Punkt war aber der Cölibat. Fortan sollte 
kein Priester mehr eine Frau nehmen, und wer eine hatte, sollte sich von 
ihr scheiden, bei Strafe der Absetzung. Dies erregte allgemeinen Aufruhr 
unter den Geistlichen. Der Erzbischof von Mainz schrieb nach Rom zu¬ 
rück, er habe die Geistlichen seines Kirchspiels zusammenberufen und ihnen 
den Befehl vorgelegt; er zweifle aber, daß er ihn durchsetzen werde. So- 
*) Die Zahl der Cardinäle wurde auf 70 festgesetzt; sie hatten den Rang über 
den Fürsten und über den Gesandten der Könige und wurden die Minister des Papstes. 
3hre Kleidung ist ein rother Scharlachmantel und ein rother Hut. 
Grude. Geschichtsbilder. II. 12
	        
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