11
das in sich zusammenbrach, seitdem Treue und Redlichkeit daraus ver¬
schwunden 'waren.
Damals lebte im Lande der Bataver (an den Rheinmündungen),
welches Volk schon lange zu den Römern als Bundesgenosse gestanden
hatte, ein Mann, Namens Civilis, den sie über eine Abtheilung seiner
Landsleute gesetzt, welche in ihrem Heere dienten. Er hatte nur ein Auge,
sah aber damit besser, als hundert Andere mit zwei Augen, die Noth und
Schmach seines Vaterlandes und wie niederträchtig die geizigen, wollüstigen
Römer darin walteten. Diese aber erfamtten bei Zeiten sein vater¬
ländisches Herz, darum legten sie ihn in Fesseln, ja ermordeten sogar
seinen Bruder, der eben so gesinnt war. Endlich gaben sie den Civilis
wieder frei: doch er ließ sich Bart und Haupthaar wachsen und that einen
Eid, nicht eher wolle er sein Haar scheeren, als bis er Rache genommen
habe. „Dulden wir's länger, daß sie unsere Knaben nach Rom schleppen
und unsere Greise zu Soldaten pressen, um schweres Lösegeld zu gewin¬
nen?" — so rief der Brave seinen Landsleuten zu, und alle sprachen
einmüthig: „Nein!" und erhoben die Waffen. Alsbald schickte er insge¬
heim Botschaft an die Andern, die in Mainz den Römern dienten, und
an die Friesen und Kaninefaten; diese beiden Völker stimmten ihm
bei, daß die Fremdherrschaft nicht länger zu ertragen sei, und alle zu¬
sammen schlugen die Römer. Da ward es auch den Belgiern warm
um's Herz und den Deutschen über'm rechten Ufer des Rheinstroms, und
jene Bataver, welche in Mainz lagen, eilten zu ihren Brüdern.
Im Lande der Brukterer war um jene Zeit eine Jungfrau, vor
deren Augen die Zukunft offen lag; die hieß Velleda. Alles deutsche
Volk verehrte sie und horchte gläubig auf ihre Worte. Sie selber sprach
nur mit ihren Verwandten; diese allein und kein Fremder durfte zu dem
Thurm kommen, in dem sie wohnte; der stand in tiefer Waldeinsamkeit
an den Ufern der Lippe. Jetzt, als die Bataver, von Civilis angefübrt,
den Krieg um die Freiheit begannen, sprach die begeisterte Jungfrau: „Die
Götter billigen den Kampf und die Römer werden im alten Lager
(castra vetera — Tanten am Rhein) untergehen !" Auf dies Wort
griffen auch die Brukterer und feuchterer zu den Waffen, eilten zu den
Batavern und alle Verbündeten stürmten auf das „alte Lager" ein,
worin sich die Römer verschanzt hatten und mit dem Muth der Ver¬
zweiflung wehrten. Nachdem sie wegen anhaltender Hungersnoth schon
ihre Pferde verzehrt hatten, baten die Übriggebliebenen um das Leben
und freien Abzug, was Civilis, ihre Tapferkeit achtend, ihnen auch gewährte.
Nun erst hielt Civilis sein Gelübde für gelöst, und im Angesicht des gan¬
zen Heeres ließ er sich wieder Bart und Haupthaar scheeren; den besten
Theil der Beute schickte er abc; der Seherin Velleda.
2.
Nun verbündeten sich auch die Gallier mit den Deutschen, aber den
Letzteren gereichte dieser Bund zum Verderben. Der römische Kaiser