Full text: Vaterländische Geschichte der neuesten Zeit

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es schon die alten Welfen taten, bekämpfte er grundsätzlich 
immer die Stärkung der Kaisermacht und des nationalen 
Empfindens, wie er anderseits stets für die Vorteile der Einzel¬ 
staaten, also des Partikularismus, eintrat. 
So waren Bismarck und Windthorst, wie schon in ihrer 
äußern Erscheinung, auch in ihrer Politik längst ausgesprochene 
Gegensätze. Daß auch das Zentrum in diesen Gegensatz rasch 
hineinkam, bewirkten seine ersten Anträge. Sie galten der 
Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papstes und der 
Einfügung der 1849 aufgestellten „preußischen Grundrechte“ in 
die neue Reichsverfassung. Gemeint war mit diesen die Freiheit, 
d. h. die Unabhängigkeit der katholischen Kirche, oder deutlicher 
die Aufsicht der Kirche über die Schule. Beide Anträge wurden 
vom Reichstage abgelehnt. Man habe sich weder in die Ange¬ 
legenheiten fremder Völker zu mischen, noch auch der Selbst¬ 
verwaltung der Kirche Zugeständnisse zu machen, bevor die 
Grenze von Staat und Kirche gefunden sei. (Treitschke.) Ob 
Wrindthorst wohl wirklich glaubte, daß man Zwangsmittel gegen 
Italien anwenden und Soldaten dahin schicken könne? — 
Schärfer wurde der Gegensatz, als von den Vertretern der 
Kirche die Forderung gestellt wurde, die vom Staate ange- 
stellten Professoren sollten das jetzt veröffentlichte Dogma der 
Unfehlbarkeit anerkennen und im Weigerungsfälle abgesetzt 
werden. 
Durch diese Forderung wurde der Staat unmittelbar dazu 
genötigt, ebenfalls zur Unfehlbarkeitsfrage Stellung zu nehmen. 
Sollte er die Männer, die er mit Zustimmung der katholischen 
Kirche eingesetzt hatte, jetzt nicht mehr als Katholiken betrachten? 
Sollte er hier selbst entscheiden oder sich dem Urteil der 
Bischöfe einfach unterordnen? Da er dies nicht konnte und 
wollte, war der Streit natürlich da. 
Ein anderer Zwist drehte sich um die Volksschule. Beide, 
Kirche und Staat, beanspruchten das Recht ihrer Leitung. Die 
Frage war um so bedeutungsvoller, als im Osten auch nationale 
Interessen dabei in Betracht kamen; den katholischen Geistlichen 
wurde hier der Vorwurf gemacht, daß sie da, wo Protestantisch 
und Deutsch vielfach als gleich gelte, der Polonisierung deutscher 
Schulkinder nachhülfen.
	        
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