„an Gestalt und Art." Man bewunderte den hoben Wuchs
der deutschen Männer und Frauen und die körperliche Schön¬
heit, die sich kundgab in der Weiße der Haut, in dem gold¬
gelben oder blondgelockten Haar, in dem blauen Auge, worin
Stolz, Trotz und Hoheit der Gesinnung wohnte. Ja, die vor¬
nehmen Damen der Weltstadt suchten durch künstliche Mittel
ihrem Haare dieselbe Färbung zu geben, die ihnen an den
germanischen Frauen und Jungsrauen so sehr gefiel. Der
Muth, die Starke und Tapferkeit und die ganze kriegerische
Haltung, die man in der Schlacht und im Handgemenge ken¬
nen und sürchten gelernt, ehrte man im sriedlichen Umgang;
und der Reinheit der Sitten, der Tugeud der Gastfreundschaft,
der Treue und Redlichkeit des Gemüthes, der Keuschheit des
Ehebundes und der zarten Ehrfurcht gegen das weibliche Ge¬
schlecht zollte der römische Geschichtsschreiber solche Anerkennung,
daß man in seinem Werke über die Sitten, Lebensweise und
Einrichtungen unserer Vorsahren die Absicht erkennen wollte,
in der Schilderung des Naturvolkes seinem entarteten, in La¬
ster und Lüste versunkenen Zeitalter einen Spiegel vorzuhal¬
ten, die Berderbniß des eigenen Volkes am sremden Gegensatz
zu zeichuen und zu streifen. Die freudige Bewunderung, die
aus seiner Schilderung des ehelichen Lebens mit seiner Kraft
uud Sittenreinheit hervorleuchtet, durchbricht ein Schmerzens-
rns über die Berderbniß des eigenen Volkes. Jemehr aus
dem römischen Erdkreise nur der Abglanz einer schönen Vergan¬
genheit erschien, Alles einem rühmlosen Untergang entgegen¬
reifte, in desto verklärterem Licht erschien ihm das germanische
Volksleben, in dem sich noch ein Bild der ursprünglichen
Menschheit abspiegelte. Dabei zieht sich eine dunkle Ahnung
durch das Buch, daß von dem Volke, welches sich dem Ge¬
dächtnisse der Römer so ties eingeprägt, einst Gesahr und Ver¬
derben über Rom hereinbrechen werde. Sein Trost und seine
Hoffnung beruht allein aus der Feinde Zwietracht und gegen¬
seitigem Hasse. „Möge den germanischen Völkern doch bleiben