Full text: Germanien in den ersten Jahrhunderten seines geschichtlichen Lebens

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Die Pferde zeichnen sich weder durch Schönbeit noch durch 
Schnelligkeit aus; aber sie werden auch nicht, wie die unsrigen, 
zu allerlei Wendungen abgerichtet, sie reiten gerade aus oder 
in ununterbrochener Schwenkung rechts herum, in einem so fest 
geschlossenen Kreise, daß Keiner der Letzte ist. Im Ganzen 
besteht ihre Hauptstärke im Fußvolk, deshalb kämpfen sie in 
gemischten Haufen, denn leicht fügen und schmiegen sich in den 
Reiterkamps die gewandten Fußkämpfer, die sie aus der ge- 
sammten jungen Mannschaft auswählen und vor der Schlacht- 
reihe aufstellen. Die Schlachtreibe wird in Keilrotten geord¬ 
net. Vom Platze zu weichen, wenn man nur wieder zum An¬ 
griff umkehrt, gilt mehr für klug, als für feige. Die Leichen 
der Ihrigen retten sie auch aus bedenklichen Schlachten. Den 
Schild im Stiche zu lassen, gilt für die größte Schande, solch 
ein Ehrloser darf weder Opfern beiwohnen, noch die Ratbs- 
versammlnug betreten, und Viele, die den Krieg überlebten, 
haben ihrer Schmach mit dem Strange ein (^nde gemacht. 
Bei der Wahl ihrer Könige sehen die Germanen aus edle 
Abkunst, bei ihren Heerführern auf Tapferkeit. Doch steht auch 
den Königen keine unbeschränkte oder unabhängige Gewalt zu; 
auch die Feldherren — Vorbilder mehr, als Befehlshaber — 
sichern sich ihren Vorrang durch Bewunderung, wenn sie stets 
aus dem Platze sind, stets.sich hervorthun, stets vor der 
Schlachtreihe sich bewegen. Uebrigens Todesstrase zu verhän¬ 
gen oder Jemanden zu binden oder auch nur zu schlagen, ist 
lediglich den Priestern anheimgegeben, nicht wie zur Strafe 
oder auf des Feldherrn Geheiß, sondern gleichsam aus Weisung 
der Gottheit, die sie in den Schlachten gegenwärtig glauben. 
Auch tragen sie Bilder und Zeichen mit in den Kampf, die sie 
aus den heiligen Hainen hervorholen. Was aber vorzugsweise 
zur Tapferkeit antreibt, ist, daß nicht das Ungefähr oder zu¬ 
fälliges Zusammentreten eine Schaar oder eine Keilrotte bil¬ 
det, sondern Familien oder Sippschaften, und in der Nähe 
sind die Gegenstände ihrer Liebe. Von dort wird das Geheul 
der Weiber, von dort das Weinen der Kinder gehört. Diese
	        
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