Full text: Kriegsbuch für die Jugend und das Volk

befestigt ist und soll den Soldaten im Felde vor¬ 
angetragen werden und ihnen den Weg zeigen. 
Schon die alten Germanen trugen vor ihren 
Heerscharen gewisse Feldzeichen her, auf 
Stangen befestigte Tierbilder, so des Stieres, des 
Ebers und der Schlange. Aber auch andere Völ¬ 
ker bedienten sich gewisser Feldzeichen auf ihren 
Kriegsfahrten: Die Perser hatten aus einer Lan¬ 
zenspitze einen goldenen Adler mit ausgebreiteten 
Flügeln, die Römer führten den Adler, das 
Pferd, die Wölfin und den Eber, bei den Grie¬ 
chen sah man die geheiligte Eule, eilte Sphinx 
und einen halben Wolf oder auch die Bilder 
von Kastor und Herakles und die Assyrer malten 
auf ihre Feldzeichen eine Taube. Bei allen Völ¬ 
kern gab das Feldzeichen durch feine Erhebung 
das Zeichen zum Beginn des Kampfes nnd durch 
sein Senken wurde der Eintritt der Waffenruhe 
verkündigt. 
Zur Zeit Kaiser Ottos I. stellte das Haupt¬ 
feldzeichen einen Engel dar, aber schon unter 
Otto II. erscheint der Adler, der sich später in 
einen Doppeladler (Österreich, Rußland) verwan¬ 
delte. In der Ritterzeit bildete die Hauptsturm¬ 
fahne, die nur von einem durch Rang und Tap¬ 
ferkeit ausgezeichneten Führer (sehr oft waren 
es Fürsten) getragen wurde, den Mittelpunkt 
der ganzen Schlacht, während die Fahnen der 
einzelnen Abteilungen von geringerer Bedeutung 
waren. Roland selbst trägt die Fahne Karls des 
Großen, nnd im Nibelungenlied Volker die der 
Burgundern In der Schlacht auf dem Lechfelde 
ergreift sie Kaiser Otto der Große und führt feine 
Truppen zum Angriff, und den Mailändern 
dünkte es 1238 als das Schwerste, daß sie Kaiser 
Friedrich II. zwang, ihm ihre Fahne zu Füßeu 
zu legen und zu verbrennen. Fiel die Fahne, 
so war die Schlacht verloren; wurde sie während 
des Treffens von einer Partei freiwillig gesenkt, 
so erklärte sich diese für besiegt. Um das Ehren¬ 
zeichen möglichst zu schützen, war die am Sattel 
des Kriegers befestigte Fahnenstange reichlich mit 
scharfen Nägeln gespickt. 
Die Fahnen hatten bald eine Größe erreicht, 
daß selbst ein starker Mann sie nur mit Mühe tra¬ 
gen konnte. So verfielen die italienischen Städte 
ans die Idee, die Fahnen auf einen Wagen zu 
stellen. Solch ein Wagen war ein vierrädriger, 
kostbar ausgeschmückter Karren, welcher mit 
einem hohen Mastbaum versehen war und immer 
von weißen Ochsen gezogen wurde. Zuweilen 
führte der Fahnenwagen, in Italien „Ear- 
roeeio" genannt, noch eine Glocke, deren Läu¬ 
ten dem Heer den Befehl zum Vormarsch gab, 
während ihr Stillschweigen Halt gebot; nach 
einer andern Mitteilung fand sie aber nur für die 
Gottesdienste Verwendung. Hinter zinnenarti¬ 
gen Schutzwehren wurde der Wagen von einer 
Schar der edelsten Söhne besetzt und verteidigt. 
Zu Ansang des 12. Jahrhunderts fand der Fah¬ 
nenwagen auch in Deutschland Aufnahme (er hieß 
hier „Standart" oder „Karasche") und erhielt 
sich bis zu den Hussitenzeiten. 
Von purpurroter Farbe war das Tuch der 
Blutsahne als Zeichen des Kaisertums und 
der obersten Lehnsherrlichkeit. Ihren Namen 
hatte sie davon, daß unter ihr bis ins 17. Jahr¬ 
hundert vom Kaiser die mit dem Blutbann ver¬ 
knüpften Lehen verliehen wurden. Daun gab es 
eine Reichsfahne, deren Führung galt als 
Ehrenamt für die Tapfersten ans dem höchsten 
Adel des Reichs. Pfalzgraf Otto von Wittels¬ 
bach trug sie dem Kaiser Friedrich I. auf den 
italienischen Zügen voran, und Kaiser Ludwig 
der Bayer belehnte den Grafen Ulrich von Würt¬ 
temberg 1336 mit ihrer Führung, bei welcher 
Gelegenheit sie zum ersten Male ©turmfahne¬ 
genannt wurde. Sie bestand aus einer roten 
Stange mit gelber Fahne und dem Bild eines 
einfachen schwarzen Adlers, darüber befand sich 
ein roter Schenkel, als Hindeutung auf die Blut- 
fahne. Mit der Reichsren ns ahne war das 
Kurhaus Sachsen belehnt worden. Das Fahnen¬ 
tuch war weiß und schwarz gestreift und trug in 
der Mitte zwei gekreuzte rote Schwerter. 
Von blutroter Seide war auch die große 
Fahne der Landsknechte. Als Verteidiger 
der Fahne waren die Führer und zwei Fähnriche 
bestimmt; fielen diese, so mußte jeder andere 
für die Rettung der Fahne sorgen. In der 
„Kriegsregierung" gibt Gras Rheinhard folgende 
Stelle wieder: Ihr Fähnriche, da befehle ich euch 
die Fähnlein mit der Bedingung, wenn ihr wer¬ 
det in die Hand geschossen, da ihr das Fähnlein 
tragt, daß ihr es in die andere nehmt, werdet 
ihr dieselbe auch geschädigt, so werdet ihr das 
Fähnlein ins Maul nehmen. Werdet ihr aber 
von den Feinden überdmngen, sollt ihr euch dar¬ 
ein wickeln und euer Leib und Leben darinnen 
lassen, ehe ihr euer Fähnlein mit Gewalt neh¬ 
men lasset." Es wird berichtet, daß die Fähnriche,, 
wenn sie alles verloren sahen, sich in die Fahne 
einwickelten und sich vom Feinde erstechen ließen. 
Bei allen Völkern wird die Fahne von den 
Kriegern als ein Heiligtum betrachtet, für dessen 
Verteidigung jeder Soldat fein Leben hingibt. 
Der Verlust des teuren Feldzeichens galt immer 
für ein großes Unglück, und es war die höchste 
Strafe einer Truppe, wenn ihr die Fahne ab¬ 
genommen wurde. Deshalb werden die vom
	        
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