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III. Heroen oder Halbgötter.
gilt auch von Minos, der uns für eine, aber wohlgemerkt, eine
mythische Person gilt.
Minos zeichnete sich als Regent vorzüglich durch strenge
Gerechtigkeit aus, und gab feinem Volke viele weife Gesetze, welche
ihn, feiner Aussage nach, Zens selbst lehrte, mit dem er öfter
Unterredungen hatte. Er begab sich nämlich alle neun Jahre
in eine heilige Höhle, um hier von Zens Gesetze zu empfangen.
Seine Klugheit und Gerechtigkeit verschafften ihm, wie feinem
Brnder, die Würde eines Richters in der Unterwelt.
Besonders beförderte er die Schiffahrt, mit dadurch feine
Macht zu erhalten, und befuhr selbst eifrig das Meer. Wäh¬
rend einer solchen Abwesenheit knüpfte — nach einer dunklen
Sage — feine Gemahlin pallphae, die Tochter des Helios und
der Perfeis, welche ihm schon mehrere Kinder, und unter diesen
auch die Ariadne und Phädra, geboren hatte, einen ehebrecherischen
Umgang au, dessen Frucht ein Ungeheuer, halb Mensch halb
Stier, war, welches den Namen Btinotnuvos, d. H. Stier des
Minos, führte. Minos ließ bei feiner Rückkehr durch einen ge¬
schickten griechischen Baumeister, Namens Dntmlos, aus Athen,
ein sehr weites und verworrenes Gebäude erbauen, Labyrinth
genannt, welches aus vielen Gemächern bestand, die durch ver¬
schlungene Wege miteinander so verbunden waren, daß ein Fremder
den Ausgang ans demselben nicht finden konnte. Dort ließ Minos
den Minotauros einsperren. Ebenso kerkerte Minos späterhin alle
Verbrecher in das Labyrinth, welche in demselben dem Ungeheuer
Minotauros zum Opfer wurden.
Wie ausgebreitet die Schiffahrt und wie stark die Macht
des mächtigen Königs von Kreta war, sieht man daraus, daß
er auch die Köuige in dem entfernten Griechenland bezwang.
Agens nämlich, der König von Athen, tötete ans Neid den Sohn
des Minos, Androgeos, der auf einer Reife dorthin gekommen
war, und sich durch ungewöhnliche Geschicklichkeit in öffentlichen
Spielen ausgezeichnet hatte. Minos aber kam und rächte den
Tod feines Sohnes. Er eroberte Megara durch List und Verrat,