Full text: Deutsches Lesebuch für die Oberstufe mehrklassiger Schulen

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Jetzt gedachte Heinrich, es auch mit den gefürchteten Ungarn auf¬ 
zunehmen. Der neunjährige Waffenstillstand war zu Ende. Da^ kamen 
ungarische Gesandte und forderten wieder den alten Zins. Aber Heinrich 
wies sie zurück. Ja, man erzählt, er habe ihnen einen räudigen, an Schwanz 
und Ohren verstümmelten Hund reichen lassen, um die Übermüthigen recht 
zu verhöhnen. Alsbald brachen nun die Feinde in zahlloser Menge, gleich 
einem Heuschreckenschwarmc alles verheerend, ins Land ein. Aber cs gicng 
nicht mehr wie früher. Die Bauern konnten jetzt ihr Vieh und ihre son¬ 
stigen Habseligkeiten in die ummauerten Städte flüchten, wo die Ungarn 
nicht einzudringen vermochten. König Heinrich aber sammelte seine muthigen 
Krieger um sich und ermunterte sie zur Schlacht. „Gedenket des Elends", 
rief er, „das die wilden Feinde über euch gebracht; gedenket daran, wie 
sie eure Hütten verbrannt, eure Habe geraubt, eure Frauen und Kinder 
gemordet, eure Kirchen und Altäre zerstört haben. Krieger! der Tag der 
Vergeltung ist gekommen. Seid Männer und betet zu dem dort oben, der 
Hülfe sendet in der Stunde der Noth!" Und Gott sandte Hülfe. Nicht 
weit von der Stadt Merseburg in Sachsen kam es zur Schlacht. Der 
König selbst führte seine Scharen zum Kampfe; vor ihm flatterte die große 
Reichsfahnc mit dem Bilde des Erzengels Michael. Und als nun das 
wohlbewaffnete, stattliche Heer gegen die Raubhorden losstürmte, da war 
der Sieg bald entschieden. So schnell sie konnten, ergriffen die erschrocke- 
uen Feinde die Flucht. Aber Heinrich war rasch hinter ihnen her und 
ließ alle, welche Widerstand leisteten, niederhauen, die Gefangenen aber als 
Räuber und Mörder an den Bäumen aufknüpfen. 
Das Lager der Ungarn sammt allem Raube, den sie dort zusam¬ 
mengeschleppt hatten, fiel in die Hände der Deutschen. Da sank der fromme 
Heinrich sammt seinem ganzen Heere auf die Knie und dankte Gott. für 
lstn herrlichen Sieg. Das deutsche Volk aber frohlockte und pries seinen 
König als Retter und Vater des Vaterlandes. Und durch alle Lande ver¬ 
breitete sich der Ruf von Heinrichs Tugend und Tapferkeit. Denn er 
">ar cs, der Deutschland aus schwerer Bedrängnis wieder aufgerichtet und 
zu Macht und Ehren gebracht hatte. «nfcrä 
121. Heinrich der Vogelsteller. 
Herr Heinrich sitzt am Vogelhcrd 
Recht froh und wohlgemuth; 
Aus tausend Perlen blinkt und blitzt, 
Der Morgenröthe Glut. 
In Wies' und Feld, in Wald und Au', 
Horch, welch' ein süßer Schall! 
Der Lerche Sang, der Wachtel Schlag, 
Die süße Nachtigall 
Herr Heinrich schaut so fröhlich drein: 
„Wie schön ist heut' die Welt! 
Wasgilt's, heut gibt's 'ncngutenFang!" 
Er lugt zum Himmelszelt. 
Er lauscht und streicht sich von der Stirn 
Das blondgelockte Haar; 
„Ei doch! was sprengt denn dort herauf 
Für eine Reiterschar?" 
Der Staub wallt auf; der Hufschlag 
dröhnt; 
Es-naht der Waffen Klang; 
„Daß Gott! die Herr'n verderben mir 
Den ganzen Vogelfang! 
Ei nun, was gibt's?" — Es hält 
der Troß 
Vorm Herzog plötzlich an;
	        
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