Buchdruck und Buchhandel im Zeitalter der Reformation. 157 
auch schon beim Eintritt in die Stadt revidierten. Schlau genug wußten 
sie oft solche Schriftchen, von denen sie voraussetzten, daß sie dem wohl¬ 
weisen Rate nicht behagen dürsten, zu verbergen; mit unverfänglichen 
zusammengeheftet, wurden sie versteckt seilgehalten. 
Zum Teil unstät umherwandernd, ließen diese betriebsamen Geschäfts¬ 
leute wohl auch gelegentlich ans ihren Hausierfahrten bald hier, bald da 
ein Schriftchen drucken; in den Druckereien warteten ihre Agenten oder Boten 
auf das Fertigwerden einer neuen Schrift, um sich nach Ausgabe derselben 
sofort nach den verschiedensten Richtungen zu zerstreuen, beziehentlich die 
Exemplare in Sicherheit zu bringen. Noch im Beginn der zweiten Hälfte 
des 16. Jahrhunderts benutzte Magister Georg Baumann, Rektor der Stadt¬ 
schule und Besitzer einer Buchdruckerei in Breslau, seine Schulbuben dazu, 
um beim Eingang einer „Neuen Zeitung" diese — von ihm schnell nach¬ 
gedruckt — auf den Straßen und vor den Drehthüren verkaufen zu lassen, 
zum großen Ärger der eigentlichen zünftigen Buchhändler, die sich bitter 
darüber beschwerten. 
Aber dieser rege und sicherlich auch gewinnbringende Verkehr hatte 
zugleich seine unbequemen und gefahrvollen Seiten. Hatten sich gleich schon 
im 15. Jahrhundert die Anfänge eines Versuchs der Beaufsichtigung der 
Presse und einer Art von Censur, z. B. auf der Universität Köln, hier 
uni) da auch einzelne Verbote bemerkbar gemacht, so entsprangen dieselben 
doch eigentlich mehr der Absicht einer Kontrolle der Lehrmeinungen seitens 
der Kirche, als daß sie politischen Zwecken dienten. Die ersten Mandate 
gegen die Presse in Deutschland, beginnend mit dem Wormser Edikt gegen 
Luthers Schriften, richten sich in den allgemeinsten Ausdrücken gegen sek¬ 
tiererische, aufrührerische, Famos- und Lästerschriften, gegen anonyme Bücher 
und gegen solche, welche ohne Bezeichnung des Verlagsortes und des Druckers 
erschienen. Was aber unter Famos- und Überschriften jeweilig zu verstehen 
fei, darüber behielt die regierende Macht den Entscheid ganz dem eigenen 
Belieben vor. Ihre gerade herrschende Anschauung oder Laune, oft auch 
äußere Einflüsse Mächtigerer, bestimmten, was eben zur Zeit zulässig oder 
strafbar sei, und mit patriarchalischer Gemütlichkeit in der Rechtsübung 
wurden die Übelthäter von Buchführern und Buchdruckern entweder ans 
Stadt und Land verwiesen, gestäupt, in den Turm geworfen und in den 
Bock gespannt, oder die Auslage des anstößig befundenen Buches wurde 
ihnen abgekauft und so aus der Welt geschafft. Der Nürnberger Rat ver¬ 
anlaßte auf der Frankfurter Messe 1527 den Auskauf einer Schrift von 
Osiander und einer andern von Hans Sachs und bezahlte die dem Drucker 
Hans Guldenmund in Nürnberg weggenommenen 600 Exemplare mit 12 Gulden. 
Am 20. Januar 1528 berichtet Jakob Grotsch aus Konstanz an Zwingli, daß 
seine und Ökolampads Schriften in Frankfurt aufgekauft und verbrannt wor¬ 
den seien. Ju Herzog Georgs von Sachsen Dekret über Verbot und Wegnahme 
von Luthers Übersetzung des Neuen Testaments vom 7. November 1522 ist 
zwar von einer Entschädigung der betroffenen Privatpersonen, nicht aber
	        
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