Full text: Die Supplingenburger (2)

er nicht, bis er geholt wurde, sondern unaufgefordert trat 
er an das Krankenlager und bot seine Hülfe an. Aber 
obgleich er für das Gute, was er durch seine wirksamen 
Arzneimittel dem Volke that, keine Belohnung nahm, so 
sahen die Landleute ihn doch mit Mißtrauen an, denn 
sie glaubten, daß er sich solche Wissenschaft erworben mit 
Hülfe der falschen Götter, ja sie erzählten sich schaudernd 
und sich bekreuzend, daß Rodbert heimlich noch den alten,, 
fast vergessenen Göttern diene und ihnen nächtlicherweise 
Opfer darbringe. Vergebens suchte Wilbraud, vergebens 
suchten andere einsichtsvolle Leute diesem Aberglauben zu 
steuern. Die Landleute nahmen, wenn sie in Not waren, 
wohl die Hülfe Rodberts in Anspruch, aber wenn sie ihn 
nicht gebrauchten, begegneten sie ihm mit Mißtrauen oder 
gingen ihm weit ans dem Wege. Er selbst machte sich 
hieraus freilich wenig: aber es kränkte ihn bitter, wenn 
er sah, daß auch seine unschuldige Tochter unter dem 
Vorurteil der Menschen zu leiden hatte. Wenn Rodbert 
dieses bemerkte, so schwoll ihm die Zornesader auf der 
Stirn, und Bertha hatte dann oft Mühe, den aufgeregten 
Vater zu besänftigen, daß er nicht im Zorne eine heftige 
That beging. 
Dies war der Grund, daß Rodbert sich mehr und 
mehr von den Menschen zurückzog, und daß er auch seiner 
Tochter untersagte, in das Dorf, das am Fuße des Berges 
lag, hinunterzusteigen. So waren denn beide allein auf 
sich und auf den Umgang mit dem Pater Wilbrand an¬ 
gewiesen, und derselbe genügte ihnen vollständig. Der 
Alte verstand es, zu den Herzen zu reden, und dein Kinde 
teilte er ans dem reichen. Schatze seines Wissens mancherlei 
mit und freute sich, wenn er bemerkte, daß seine Worte 
in dem empfänglichen Herzen desselben Wurzel schlugen. 
Von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr gestaltete sich das 
Verhältnis zwischen den drei Personen herzlicher und 
inniger. Rodbert und Bertha hingen an dem ehrwürdigen 
Pater mit aufrichtiger Verehrung, und dieser suchte durch 
freundliche Gespräche den Köhler vergessen zu machen, 
daß er von den Landleuten gemieden, ja gefürchtet wurde.
	        
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