Full text: Kulturbilder aus Deutschlands Vergangenheit

12. Das deutsche Kaisertum. 
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Führung eines Erzbischofs (gewöhnlich des Mainzer) empfangen 
und unter Gesang an die Stufen des Altars geleitet. Auf dem¬ 
selben lagen die Abzeichen der Kaiserwürde: das Schwert mit 
dem Wehrgehänge, der Mantel mit den Armspangen, die goldene, 
edelsteinbesetzte Krone, das Zepter und später der Reichsapfel 
(eine goldene, die Erde als Sinnbild der kaiserlichen Macht dar¬ 
stellende Kugel mit einem die Kaiserwürde als Schutz und Schirm 
der christlichen Kirche versinnbildlichenden Krenz). Der Kaiser 
knieete am Altar nieder und mit ihm alle Bischöfe, um zu beten, 
während die niedere Geistlichkeit sang. Nachdem sich alle erhoben 
hatten, ließ der Erzbischof sich von dem König das Versprechen 
geben, den rechten Glauben zu bewahren, der Kirche und ihren 
Dienern ein Beschützer zu sein, das ihm von Gott übertragene 
Reich zu schirmen und zu regieren. Dann wandte er sich an 
das Volk mit den Worten: „Seht hier den von Gott erkorenen, 
von allen Fürsten erwählten König. Gefällt euch diese Wahl, 
so hebet zum Wahrzeichen die Hand zum Himmel." Darauf 
jubelte das Volk und rief: „Heil und Segen dem neuen König!" 
und hob die Rechte empor. Sodauu wurde der König zuerst am 
Hanpt, dann an der Brust, an den Schultern und Oberarmen und 
endlich an den Händen gesalbt. Nun überreichte ihm der Erz¬ 
bischof das Schwert mit den Worten: „ Nimm hin dies Schwert; 
durch göttliche Vollmacht ist es dir verliehen, daß du das Reich 
fortan zur Befestigung des Friedens für alle Christen beherrschen 
sollst;" dann bekleidete er ihn mit dem Mantel und den Spangen 
und sprach: „Wie der Mantel mit seinen Enden zur Erde nieder¬ 
hängt, möge er dich daran erinnern, daß du bis ans Ende 
den Glauben und den Frieden bewahren sollst." Bei der Über¬ 
reichung des Zepters sprach er: „Kraft dieses Zeichens sollst du 
mit väterlicher Züchtigung über deine Unterthanen wachen und 
den Dienern Gottes, den Witwen und Waisen deine Milde er¬ 
weisen." Darnach wurde der Segen gesprochen, und es wurde 
dem König die goldene Krone aufs Haupt gesetzt, woraus die 
Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln ihn zu dem zwischen 
Marmorsäulen errichteten Thron führten, wo er von allem Volk 
geschaut werden konnte. Ein feierlicher Gottesdienst schloß die 
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