150
83. Octiiienberg und Hokkönigsburg im Bltaß.
Von Hrcte 0ogarten.
Die Landjugend. Herausg. von Heinrich Sohnrey. 4. Jahrg. Berlin 1901. 8.113.
„Drei Schlösser auf einem Berge,
Drei Kirchen auf einem Kirchhof,
Drei Städte in einem Tal,
Das ist das ganze Elsaß überall!"
So heißt es in einem Sprichwort aus dem Mittelalter, und seit
uralten Zeiten ist das gesegnete Elsaß, der herrliche Wasgau in Liedern
und Gesängen gepriesen worden wegen seiner prächtigen Wälder und
Höhen, seiner ragenden Burgen und Schlösser auf hohen Bergkuppen,
seiner Klöster und Kapellen in stillen Waldtälern, seiner volkreichen
Städte und freundlichen Dörfer mit ihren Rebengeländen und den
fleißigen, fröhlichen Bewohnern. Der Kern der Elsässer, das eigentliche
Landvolk, ist urdeutschen Stammes und hat sich auch unter der zwei¬
hundertjährigen Franzosenherrschaft deutsche Sitte und Sprache und die
einheimische Tracht treu bewahrt.
Unser Kaiserpaar hat eine große Vorliebe für das schöne Reichsland
und besucht es so oft wie möglich. Aber nicht nur in den Städten hält
das Kaiserpaar sich auf, auch das Land und die Dörfer werden besucht
und Fahrten durch die Wälder und auf die Höhen des herrlichen Was¬
gaus gemacht. Im Frühling des Jahres 1899 machten Kaiser und
Kaiserin zwei besonders schöne Ausflüge nach dem Odilienberg mit seinem
uralten Kloster und nach der Hohkönigsburg.
Der Odilienberg ist ein vielbesuchter Wallfahrtsort und verdankt
seinen Namen folgender Legende: Dem Alemannenherzog Eticho wurde
ein Töchterchen geboren, das blind war. Der Vater wollte es töten;
die Mutter aber ließ es heimlich erretten und in der Stille aufziehen.
In der Taufe erhielt es den Namen Odilie und wurde sehend.
Als das Mädchen erwachsen war, ließ sein Bruder, der junge Herzog
Hugo, es zu sich auf die Hohenburg im Unterelsaß kommen und teilte
das dem Vater auch mit. Herzog Eticho ward jedoch so zornig darüber,
daß er seinen einzigen Sohn erschlug; Odilie entfloh in den Wald.
Bald darauf überkam den alten Herzog bittere Reue, er suchte seine
Tochter im Walde auf und bat sie um Verzeihung; Odilie folgte ihm
nun auf die Hohenburg. Die große Schönheit der Herzogstochter und
der Reichtum des Vaters führten bald zahlreiche Fürsten und Ritter
herbei, die sich um Odiliens Hand bewarben; sie aber wies alle ab, da
sie sich niemals vermählen, sondern in ein Kloster gehen wollte. Der
alte Herzog war damit nicht einverstanden und wollte Odilie mit Gewalt
zwingen, sich mit einem der von ihm begünstigten Freier zu vermählen.
Da entfloh sie aus der Burg und entkam über den Rhein. In einem