Der Vogtländer. 23
„Marsch blasen lassen". Wenn ein Bursche sich Hervorthun will, so gibt er
den Musikanten ein Stück Geld und läßt sich dafür einen Marsch aufspielen.
Dies geschieht gewöhnlich mit Messinginstrumenten. Lustige Burscheu, welche
„Geschick" haben, treiben dabei allerhand „Olberei": das Bierglas in der Hand
schwingend, machen sie Tanzbewegungen, stampfen auf den Boden und lassen
fröhliche „Gnchfchreier" ertönen. Dieser Brauch hängt zusammen mit dem
früher allgemein verbreiteten, jetzt aber verbotenen Rundasingen. Sangeskundige
Burschen erwarben sich durch Bezahlung der Musik das Recht, auf dem Tanz-
boden Ruudas zu singen, deren Weisen von den Musikanten nachgespielt wurden.
Gewöhnlich wurde das Zeichen dazu durch Pochen auf die Geige gegeben. Da
bei diesem Rundasingen die übrigen Tänzer zum Zuhören verurteilt waren, so
gab dies oft Veranlassung zu Streitigkeiten und Prügeleien, und deshalb wurde
es ganz untersagt."
„Die gewöhnlichsten Tänze sind Walzer, Dreher und Rutscher. Für Walzer
kommen auch die Namen Schleifer, Strupfer, Wiener und vereinzelt „Astueßer"
(Anstoßer) vor. „Hopser" und „Reiter" bezeichnen eine Art Zweitrittwalzer
in rascherem Tempo. Der Dreher ist der eigentliche Vogtländische Nationaltanz,
der Stolz des Vogtlandes, wie ihn ein Fachmann auf dem Gebiete des Tanzes
bezeichnete, ein schwer zu lernender, aber sehr anmutiger Tanz, welcher nach
den Rutschermelodien, also im Zweivierteltakt, getanzt wird. Abarten davon
sind der „Halbdreher", bei welchem halb gedreht und halb gerutscht wird, und
der „Schreiter", bei dem eine mehr hüpfende Bewegung stattfindet als bei dem
eigentlichen Dreher. Der Rutscher oder „Hupfer" entspricht dem Galopp.
Neben diesen drei Hanpttänzen kennt man auch den Tiroler, den Polka oder
„Schlenkerer", wie man ihn im Renßischen nennt, auch Schottisch, gewöhnlich
„Dschottsch" oder „Dschuttsch" gesprochen." —
Neben den eigentlichen, mehr ernsten Volksliedern werden die Rundas
auch bei dem „Sommerhaufeu" -und in der „Rockenstube" gesungen. Unter dem
Sommer Haufen versteht man die Zusammenkunst des jungen Volks auf der
Dorfgasse an heiteren Sommerabenden. Wenn die Arbeiten im Hanse und Stalle
beendigt sind, sieht man allenthalben ans den Höfen junge Burschen und Mädchen
zusammenströmen, um sich nach des Tages Last und Mühe des kühlen Feier-
abends zu erfreuen. Arm in Arm „eingehäkelt", wie man es nennt, ziehen die
Mädchen auf und ab, hinter ihnen her, meist gleichfalls in einer Reihe, die Burschen.
Bei der Sangeslust der Mädchen läßt das Singen nicht lange auf sich warten.
Eine „ Vorsängerin", welche besonders liederkuudig ist, stimmt mit kräftigem Tone
an, die andern, auch die Burschen, fallen ein. Wer je in der Kühle eines
stillen Sommerabends diesen Gesängen aus der Ferne gelauscht hat, der wird
sich gewiß von Herzen gefreut haben über die rührenden, gefühlvollen Weisen
und die gesunde Natürlichkeit des Vortrags.
Die Rockenstuben oder Spinnstuben vertreten im Winter die Stelle des
Sommerhaufens. Sie beginnen zu Anfange des Winters und dauern bis zur
Fastnacht. Die Mädchen kommen abwechselnd in diesem und jenem Hause zu-
sammen, um zu spinnen, und dazu sanden sich sonst die Burschen ein. Diese
Rockenstuben sind freilich seit langer Zeit verboten. Im sächsischen Vogtlande
geschah dies schon durch die Generalartikel vom Jahre 1580, und seitdem ist
dieses Verbot zu verschiedenen Malen erneuert und verschärft worden; dennoch