Aus der Geschichte des Ordenslandes Preußen. 49
dieselbe Zeit ward in England unter schweren Wehen das Unterhaus
geboren. Darauf begann das Jahrhundert der drei Eduards, welches trotz
seines^romantischen Glanzes in seinem Kerne schon die Keime des mo¬
dernen englischen Staatslebens zeigt. Mit der alten Rittersitte schwand
auch die Kunstform, diejhr Wesen aussprach, die edle Anmut des spät¬
romanischen Stiles. Aber aus dem üppigen Boden dieses reichbegabten
Geschlechts wucherten rasch neue Gestaltungen empor. In Rom erstand
die unheimliche Größe der Inquisition und der Bettelorden. Und in
unserem Norden hatte bereits um das Ende des zwölften Jahrhunderts
eine neue Entwicklung eingesetzt, minder glänzend vielleicht als die Po¬
litik der Staufer, aber dauernder, stetiger, die große Lehrzeit für die ag¬
gressiven Kräfte unseres Volkes. Wenn einst die Franken deutschen Geist
mit der antiken und christlichen Gesittung verschmolzen: jetzt trug der
Stamm der Sachsen die Werke der Franken nach Osten. Als Heinrich
der Löwe und Albrecht der Bär die Wenden vernichteten, als Arkonas
alte Tempelfeste von den Dänen erstürmt und das geheimnisvolle Heilig¬
tum des Suantevit durch die Christen zerstört ward, da drängten sich
deutsche Bürger und Bauern in die verödeten Lande, wie der Kampf
für gemeine Freiheit, die Not der Übervölkerung, die Wut des Meeres
oder kecke Wagelust sie ostwärts trieb.
Ohne Verständnis, vertieft in die italienischen Händel, schauten die
Kaiser dieser großen Fügung zu. Ja, auf Weihnachten 1214 schenkte
Friedrich II. alle Lande jenseits der Elbe und Elde dem dänischen Könige.
So ward unserem Norden jene Politik ausgezwungen, welche er seitdem
getreu behauptet hat: ohne Hilfe vom Reiche, oftmals gegen das Gebot
des Reichs, mußte er durch eigene Kraft handeln als ein Mehrer des
Reichs. Das Bürgertum von Niederdeutschland regte sich, machte die
dänische Macht zuschanden bei Bornhöved, und Lübeck erfocht (1234)
bei Warnemünde seinen ersten Seesieg. Nun, in raschem Steigen, ohne
jede Gunst der Natur an der hafenarmen Küste, erhebt sich die bürger¬
liche Macht. Die massiven Gaben deutscher Gesittung, das Schwert, der
schwere Pflug, der Steinbau und die „freie Luft" der Städte, die strenge
Zucht dec Kirche verbreiteten sich über die leichtlebigen Völker des Ostens.
Die Handelsplätze Skandinaviens werden deutsch, alle merkantilen
Kräfte des Nordens herrisch ausgebeutet durch die deutschen Bürger,
die sich, alle anderen Völker ausschließend, „reinen Weg" in die Fremde
erkämpfen. Der deutsche Kaufmann allein darf das ungastliche Ru߬
land durchstreifen und begleitet, im schweren Eigenhandel dieser un¬
sicheren Zeiten, selber seine Warenzüge nach dem deutschen Hofe von
St. Peter in der Handelsrepublik Nowgorod, dem Markte der köstlichen
„Peltereien" des Nordens. Der deutsche Bürger tritt das Erbe der
Wenden an, die Herrschaft auf der Ostfee; und mit der Hanse entfaltet
sich die bürgerliche Kunst der Gotik. Im Laufe des Jahrhunderts werden
selbst die Gebiete der stawischen Kleinfürsten in Pommern und Schlesien
Schmie der, Lektüre. I. Teil. a