55. Die Bürger der Kolonien etc. Die Coloni und Latini. H5
Einwohnerklasse waren, ein Drittel von dem Gemeindeland (ager
publicus) in Besitz nahmen, im übrigen keine selbständige Ge¬
meinde bildeten, sondern Yollbürger (cives cum svffragio) in Rom
blieben, während die besiegten Einwohner nur cives sine svffragio
wurden. Jedoch behielten letztere in den älteren Kolonien zu¬
weilen die Civität. Die römischen coloni waren zugleich eine
militärische Deckung (■praesidium) des eroberten Ortes. Diese
coloniae civium Romanorum sind sehr zu unterscheiden von den
coloniae Latinae. Seit der Eroberung Latiums (338 y. Chr.) führten
nämlich die Römer unter ihrer Oberleitung auch latinische Bürger
nach allen Teilen Italiens aus, die aber kein volles Bürgerrecht
besafsen, wie die römischen coloni, sondern nur das latinische
(s. u.); sie bekamen Selbstverwaltung, Münzrecht, Freiheit vom
Legionsdienst, wofür sie eigene cohortes und alae stellten, und
Freizügigkeit nach Rom.
Der Kolonat ist ein uraltes italisches, auf religiöser Grundlage beruhen¬
des Institut. Die Ausführung einer Kolonie (deducere coloniam) geschah
durch Senatsbeschlufs oder Plebiscit, in der Kaiserzeit durch eine lex (Kon¬
stitution); gewöhnlich wurden 300 Kolonisten ausgeführt, jeder erhielt zwei
bis zehn iugera Staatsland als Los. Die Teilnehmer meldeten sich (nomina
dare) freiwillig oder wurden durchs Los bestimmt. Unter Leitung von trium¬
viri (coloniis deducendis) zogen die Kolonisten in militärischer Ordnung (snb
vexillo) vom Kapitol aus. Die Obrigkeiten in den Kolonien waren ein Senat
(decuriones) und Magistrate nach stadtrömischem Vorbilde; duumviri vertraten
die Stelle der Konsuln. Die Censierung geschah in Rom.
Anmerkung 1. Von Ancus Marcius bis 90 v. Chr. werden 32 colon.
Rom., über Italien zerstreut, aufgezählt; älteste Kolonie ist Ostia. Liv. 1, 33.
Anmerkung 2. Seit den Gracchen wurden Kolonien aus agrarischen
Gründen, um den verarmten Römern eine Existenz zu verschaffen, gegründet,
und Sulla begann Militärkolonien (coloniae militum) anzulegen, um seine
Veteranen mit Landbesitz zu belohnen.
2. Latini. Nachdem Latium und Italien unterworfen waren,
traten die Bewohner dieser Länder in ein eigentümliches Ver¬
hältnis zu Rom; zunächst die latinischen Gemeinden. Für diese
bildete sich ein besonderes öffentliches Recht — ius Latii, Lati-
nitas — aus, welches anfangs nur latinischen Städten, später, als
der Begriff dieses neuen Rechtes fest geworden war, künstlich
auch anderen Städten verliehen wurde.
Die Besitzer dieses latinischen Rechtes hiefsen „socii nominis
(oder iuris) Latini“ (Eidgenossen und Stammverwandte) oder kurz
„nomen Latinum“ und „Latini“. Letzterer Ausdruck hat hier Rechts-
bedeutung und bezeichnet „Halbbürger“, d. i. eine Mittelklasse
zwischen cives und peregrini. Der „Latinus“ hatte, wenn er wirk-