Full text: Grundriss der römischen Altertümer

§ 96. Perioden der Entwickelung der römischen Religion. 
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hängt zusammen, dafs die Römer fast 200 Jahre lang weder einen 
Tempel noch ein Götterbild (aycdua Ijxp.opcpov outs ypa-tov outs 
TiXacxov, Plut. Num. 8) gehabt haben, da sie sich scheuten, die 
Gottheit zu versinnlichen. Dagegen besafsen sie Symbole, durch 
welche sie an die Gottheit gemahnt wurden: ein Kieselstein (lapis 
silicenus) erinnerte an Juppiter, eine Lanze (quiris) an Mars. Ein 
düsterer Ernst lag über dem ganzen Gottesdienste und you den 
poetischen, phantasievollen Götterfiguren des Homer und Hesiod 
findet sich nichts. — Ähnlich waren die religiösen Anschauungen 
und der Kult bei allen Latinern und besonders den Sabinern und 
anderen altitalischen Völkern. 
Uralt war daneben der Ahnenkult oder die Verehrung von Stammes- 
heroen und „Väternu der Vorzeit (Romulus, Latinus u. a.). So war im allge¬ 
meinen die römische Religion noch zur Zeit des Numa, des Begründers des 
Ceremoniendienstes (Rituals), beschaffen. Aber schon um diese Zeit beginnt ein 
Verfall, nämlich die Natur Vergötterung, d. i. die Personificierung von Natur¬ 
kräften und -Erscheinungen oder der Vorgänge in der elementaren Welt; Vor¬ 
gänge in der Natur- und Geisteswelt werden zu Umdeutungen in Ideen, zu 
Allegorieen. Die ursprünglich reine Vorstellung von der Gottheit wurde früh¬ 
zeitig verdunkelt und verzerrt und die Gottesverehrung zum Naturdienste 
herabgedrückt, indem die Naturkräfte, wie Licht, Feuer, Wasser und die 
Erscheinungen am Himmel (Sonne) und am Erdboden, je nach dem Eindrücke, 
den sie auf das menschliche Gemüt ausübten, vergöttlicht wurden und im Kultus 
mit den edleren Gottesvorstellungen Zusammenflüssen. Wichtig wurde in der 
Religionsgeschichte der Römer das Wirken Numas, welcher den gesamten Kultus 
ordnete, aus latinischen und vor allem sabinischen, sodann aus etruskischen 
Gebräuchen ein detailliertes Ritual aufstellte, neue Priestertümer (Flamines, 
Salier, Vestalinnen) einführte und den Gottesdienst der Kurien und Tribus 
regelte. Tac. ann. 3, 26: Numa religionibus et divino iure populum devinxit. 
Die gesamte gottesdienstliche Ordnung war in den Pontifikalbüchern aufge¬ 
zeichnet Hierher gehören die incligitamenta (indigitare von Wurzel ag = aio, 
sagen), Verzeichnisse der öffentlich verehrten Gottheiten mit Angaben über 
das Wesen und die Art, wie die Gottheit zu verehren sei. Hauptgötter der 
ersten Periode: Janus, Saturnus, Mars, Juppiter, Quirinus und Jana, Juno, 
Ops und Vesta. Den Latinern war neben dem Veiovis noch die Feronia 
eigen. Von den Etruskern wurden der Tempelbau, die Haruspicin, Blitzsühne, 
die Kampfspiele bei Totenfeiern u. a. entlehnt. 
2. Die Periode fremdländischer (griechischer) Kulte. Diese 
beginnt schon mit den Tarquiniern, von wo an der Kreis der 
römischen Götter sich erweitert, eine Erscheinung, die bis zu den 
punischen Kriegen fortdauert. Die Kulte von älteren Göttern (so 
der eines Summanus, eines Veiovis u. a.) verschwanden, indes 
neue, ausheimische Götter mit ihren Kulten einzogen. 
Von den Königen soll Romulus die consualia, das Fest des Saatengottes 
Consus, ebenso das Fest der Dea Dia (der Göttin des Erntesegens), welches
	        
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