Full text: Deutsche Stammesgeschichte, deutsche Kaisergeschichte (Band 1)

264 Zweites Buch. I. Abschnitt: Bilder aus der Zeit der sächsischen Kaiser. 
Nachdem die Fürstenversammlung in Erfurt sich getrennt hatte, begab 
sich Heinrich mit geringer Begleitung nach Memleben an der Unstrut in der 
goldenen Aue, damals eine Pfalz, neben der sich bald ein prächtiges Kloster 
erhob, jetzt ein schlichtes Dorf, in dem aber noch ehrwürdige Reste eines 
stattlichen Kirchenbaues an die Zeiten seines früheren Glanzes erinnern. 
Hier traf den König ein neuer Schlaganfall, und er fühlte, sein Ende sei 
nahe. Da rief er Mathilde zu sich, sprach erst lange stille mit ihr, dann 
aber mit vernehmlicher Stimme: „Mein treues, geliebtes Weib, ich danke 
dem Herrn Christus, daß ich vor dir von dieser Welt scheide. Keiner gewann 
je ein so frommes, in jeder Tugend erprobtes Weib wie ich. Du hast mich 
oft im Zorn besänftiget, mir zu allen Zeiten nützlichen Rat gegeben, mich, 
wenn ich irrte, auf den Pfad der Gerechtigkeit zurückgeführt; du hast mich 
fleißig ermahnt, mich derer anzunehmen, die Gewalt erlitten. Habe Dank 
für dies alles! Ich empfehle Gott und der Fürbitte seiner Auserwählten 
dich und unsere Kinder wie auch meine Seele, die nun diesen Leib verlassen 
muß." Da dankte auch Mathilde in tiefer Rührung ihrem Gemahl für alle 
bewiesene Liebe und Treue. Dann verließ sie sein Sterbelager und ging in 
die Burgkirche, für das Seelenheil ihres sterbenden Gatten zu beten. Bald 
darauf hauchte Heinrich in Gegenwart seiner Söhne und einiger vornehmer 
Sachsen den Atem aus. Der Klageruf drang schnell in die Kirche und zu 
den Ohren der Königin. Sie faßte sich und fragte, ob nicht ein Priester 
da sei, der noch keine Speise genommen und sogleich eine Seelenmesse für 
ihren dahingeschiedenen Herrn und Gemahl lesen könne. Es war schon hoch 
am Tage, aber ein Priester, mit Namen Adaldag, hatte noch nichts an dem 
Tage genossen. Er las die erste Seelenmesse für König Heinrich, und die 
Königin dankte ihm mit den goldenen Spangen, die sie am Arm zu tragen 
pflegte, und hat auch später dieses Priesters gedacht. Als die Messe beendet 
war, trat sie in das Sterbegemach. Sie weinte bitterlich, aber trug doch 
mit Ergebung in Gottes Willen den gewaltigen Schmerz. Zu ihren Söhnen, 
die weinend am Lager standen, sich wendend, sprach sie: „Meine teuren 
Söhne, schreibt euch in das Herz, was ihr hier sehet; ehret Gott und fürchtet 
ihn, der Macht hat, solches zu thun." 
Es war ein Sonnabend, der 2. Juli des Jahres 936, an dem König 
Heinrich endete, nachdem er sein Leben beinahe auf sechzig Jahre gebracht und 
siebenzehn Jahre über die deutschen Länder regiert hatte. 
Das Grab wurde ihm bestellt in Quedlinburg in dem Kloster, das er 
selbst begründet hatte. In der dem heiligen Petrus geweihten Kirche vor dem 
Altar wurde unter Thränen und Wehklagen einer unzählbaren Menschenmenge, 
die herbeigeströmt war, die Leiche beigesetzt. Noch ruht sie an ihrer alten 
Stelle, und wer nach Quedlinburg kommt, besucht gern die geweihte Stätte. 
In einem schwach erhellten Raume, der Unterkirche, die man dort den alten 
Münster nennt, bezeichnet eine einfache Marmorplatte Heinrichs Grab. Die 
Platte ist geborsten und in eichene Bohlen gefaßt, die von vier kurzen 
Pfosten an den Ecken getragen werden. Kein Sonnenstrahl dringt zu diesem 
Königsgrabe, und wer es sieht, meint wohl, dem großen deutschen Fürsten 
gezieme wohl ein stattlicheres Grabmal am Tageslicht. Und doch möchte 
alle Kunst kein passenderes Monument dem Manne errichten, der das Große
	        
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