§ 45. Kaiser Wilhelm H. seit 1888.
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Dienstzeit auf 2 Jahre herabgesetzt, die Friedensstärke des Heeres dagegen
auf 617 000 Mann erhöht. Hiernach kann das Deutsche Reich im Kriegs¬
fall gegen 3 Millionen Streiter ins Feld stellen.
In noch stärkerem Maße ist die Flotte vergrößert worden. Ihr
gehört die besondere Vorliebe des Kaisers, der schon vor Jahren seinem
Volke zurief: „Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser." Durch den Kaiser-
Wilhelms-Kanal und die starke Befestigung der Insel Helgoland wird
der Schutz der Reichsküste wesentlich erhöht. Wachsende Teilnahme
an der Entwicklung unserer Flotte sucht in allen Teilen des Reiches der
Flottenverein zu wecken.
7. Die sozialen Bestrebungen. Die sozialpolitische Gesetzgebung
des Reiches, die unter Kaiser Wilhelm I. begonnen worden war (vgl.
S. 114), führte sein Enkel sort. Das Invalidenversicherungs-
Gesetz trat 1891 in Kraft und ließ seine Segnungen den Millionen deutscher
Arbeiter zuteil werden. Auf Veranlassung des Kaisers trat 1890 in
Berlin die Arbeiterschutz-Konferenz zusammen, die von fast allen euro¬
päischen Staaten beschickt wurde. Eine Folge dieser Konferenz waren
für Deutschland die A r b e i t e r s ch u tz g e s e tz e vom Jahre 1891, die
genauere Vorschriften über Kinder- und Frauenarbeit, Sonntagsruhe,
Arbeitsräume, besondere Schutzvorrichtungen bei gefährlichen Arbeiten usw.
festsetzten. In P r e u ß e n wurden dann noch die unbemittelten Volksklassen
finanziell durch die Bestimmung gestärkt, daß Einkommen unter 900 Mark
steuerfrei bleiben. Zur stärkeren Heranziehung größerer Einkommen
dient die Ergänzung s-oder Vermögens st euer, durch die
der Grundbesitz nicht unerheblich entlastet wird.
8. Das wirtschaftliche Leben der Gegenwart erhält sein Gepräge
durch den Wettbewerb zwischen Landwirtschaft und Industrie, deren jede
ungefähr ein Drittel der Bevölkerung des Reiches, die auf etwa 65 Mil¬
lionen angewachsen ist, ernährt. Die Zunahme der ackerbautreibenden
Bevölkerung wird übertroffen von dem Anwachsen der Industrie, so daß
Deutschland allmählich ein Industriestaat wird. Daher leidet die Land¬
wirtschaft, namentlich im Westen Preußens, unter dem Mangel an Ar¬
beitern, die aus den östlichen Provinzen und dem Ausland ergänzt werden
müssen. Auch wird das Reich durch die Einfuhr von Lebensmitteln immer
mehr abhängig vom Ausland, da die Anbaufähigkeit des Inlandes nicht
mehr zureichend gesteigert und höhere Erträge nur schwer durch eine in¬
tensivere Bodenkultur erzielt werden können. Um den Wettbewerb mit
dem Auslande aushalten zu können, verlangt deshalb die Landwirtschaft
ständig Erhöhung der Schutzzölle, die eine Preissteigerung der Lebensmittel