Jäger: Der Frankenkönig Chlodwig. 27
Im Jahre 481 starb nun der Merowinger Childerich, und dessen
fünfzehnjähriger Sohn Chlodwig, Chlodowech, trat das Königtum bei
den falischeu Franken an. Mau gewahrt bei ihm keine der edleren und
ritterlichen Eigenschaften germanischer Heerkönige; er erscheint ganz als
Barbar, gierig nach Macht und Besitz, gänzlich unberührt von der höhe¬
ren Bildung der römischen Welt, die selbst in ihrem Verfall und ihrer
Entartung Männern, wie dem Könige Theoderich, unter welchem das
Ostgotenreich in Italien seine größte Blüte erlebte, einen höheren Schwung
der Seele und ihrer Politik einen gewissen Adel gab.
Im Jahre 486 griff der neunzehnjährige Fürst an der Spitze seines
Kriegergefolges den Syagrius an, überwand denselben in einem Zusam¬
menstoße bei Soiffons und ließ ihn, als er ihm durch den eingeschüchterten
Westgotenkönig Alarich II. ausgeliefert worden war, hinrichten. Die Er¬
oberung des Landes war leicht, da die römische Verwaltung keineswegs
beliebt war. Die einzelnen Städte gingen nach und nach unter Kapi¬
tulationen zum Sieger über, welcher reiche Mittel gewann, sein Gefolge
mit Land auszustatten, ohne daß die höheren Klassen der romanischen
Bevölkerung besonders gedrückt worden wären. Das Krongnt und die
mit der Eroberung von selbst gegebenen Konfiskationen reichten aus, den
König und seine Dienstmannen mit Allodien (Eigengut) auszustatten.
Im Jahre 493, demselben, in welchem in Italien Odoaker von dem
Ostgoten Theoderich vollends überwältigt wurde, schloß der junge König
eine folgenreiche Verbindung. Er vermählte sich mit Chrotegilde, der
Tochter eines burguudischen Königs Chilperich, welchen sein Bruder
Gundobald ermordet hatte. Sie brachte ihm eine wertvolle Mitgift, die
Pflicht der Blutrache, zu, die ihn ermächtigte, seine Waffen gegen die
Burgunder zu kehren. Chrotegilde gewann Einfluß auf ihren Gemahl,
und als eifrige katholische Christin suchte sie ihn zu ihrem Glauben zu
bekehren. Die theologischen Gespräche der Gatten, welche der Geschicht¬
schreiber der Franken, der Bischof Gregor von Tours, uns überliefert,
gestatten einen gewissen Einblick in die Gedankenwelt dieser Frankenhäupt¬
linge. Chrotegilde bestürmt ihn, daß er den wahren Gott anbete, der
Himmel und Erde erschaffen. Chlodwig erwidert, Himmel und Erde seien
vielmehr das Werk seiner Götter. „Euer Gott", so sagt er, „ist augen¬
scheinlich ein ohnmächtiges Wesen, — ja noch schlimmer, er ist auch nicht
einmal vom Stamme der Götter." Gleichwohl willigt er ein, daß ihr
erster Sohn getauft wird, aber dieser stirbt. „Wäre der Knabe geweiht
im Namen meiner Götter, gewiß er lebte noch", äußert der bekümmerte
König, während die fromme Königin sich im Glauben tröstet, daß die,
welche im weißen Gewände von dieser Welt gerufen werden, vor Gottes
Angesichte leben. Sie bringt ihm einen zweiten Knaben: auch dieser er¬
krankte, genas aber aus Chrotegildens Gebet. Man sieht, daß die Frage