Full text: Lehrbuch für den erzählenden Geschichts-Unterricht an Mittelschulen

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6. Die Teilung des fränkischen Reiches. 
Zwei Söhne waren vor dem Kaiser weggestorben; dem 
dritten, Ludwig dem Frommen, gebrach es an Kraft des 
Willens. Um die Einheit des Reiches zu sichern, bestimmte er 
frühzeitig seinen ältesten Sohn Lothar zum Nachfolger in der 
Kaiserwürde; unter seiner Oberhoheit sollten die jüngeren Brüder 
Pippin im Westen und Ludwig im Osten Sonderreiche er¬ 
halten. Das Bestreben des Kaisers, für seinen jüngsten, einer 
zweiten Ehe entstammenden Sohn Karl auf Kosten der Brüder 
ein weiteres Unterreich zu errichten, rief einen langwierigen 
Familienzwist hervor. Als schließlich die drei älteren toohne in 
Waffen dem Vater gegenüber standen, sah sich dieser von seinen 
Kriegern schnöde verlassen, und den Rest bat er selbst, den 
Söhnen sich anzuschließen, „denn ich will nicht, daß jemand 
meinetwegen an Leib oder Leben Schaden nehme". Das war 
auf dem Rotfeld unweit Kolmar, welches seither das Lügen- 
seld heißt. 
Lothar zwang nun den gefangenen Vater zu öffentlicher 
Kirchenbnße; weitere Mißhandlung verhinderten Pippin und 
Ludwig. Dennoch wollte der Kaiser nach Pippins Tode bei 
einer neuen Teilung Ludwig sein Erbe nehmen bis auf 
Bayern, und als der Gekränkte sich zur Wehr setzte, rückte er 
ins Feld gegen seinen besten Sohn. Da ereilte ihn auf einer 
Rheiuinsel bei Ingelheim der Tod. 
Aber nun wütete in dem ungeheuern Reich ein verheerender 
Bruderkrieg, bis der herrische Lothar trotz heldenhafter Tapfer¬ 
keit den verbündeten Heeren Ludwigs und Karls erlag. Jetzt 
endlich willigte er in die endgültige Teilung des Reiches, 
843 welche zu Verdun an der Maas vereinbart wurde. Lothar er¬ 
hielt mit der Kaiserkrone das ehemalige Langobardenreich und 
das nach ihm benannte Lothringen: einen Landstreifen, der west¬ 
wärts von der unteren Schelde, der mittleren Maas, der Saöue 
und deu Sevennen umschrieben wurde, während die östliche 
Grenzlinie von der Wesermündung, die Friesenküste einschließend, 
zum Rhein (unterhalb der Moselmündnng), dann an Rhein und 
Aar entlang zu den Alpen lief. Was von Lothars Reiche 
westlich lag, erhielt Karl „der Kahle"; das vorwiegend bäuer¬ 
liche Ostland nebst der weinreichen Gegend um Speier, Worms 
und Mainz verblieb Ludwig dem Deutscheu. Von da an 
kann erst von einem französischen und einem deutschen 
Volke gesprochen werden. 
Als nach wenig Jahrzehnten Lothars Haus in Deutschland
	        
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