146 —
6. Die Teilung des fränkischen Reiches.
Zwei Söhne waren vor dem Kaiser weggestorben; dem
dritten, Ludwig dem Frommen, gebrach es an Kraft des
Willens. Um die Einheit des Reiches zu sichern, bestimmte er
frühzeitig seinen ältesten Sohn Lothar zum Nachfolger in der
Kaiserwürde; unter seiner Oberhoheit sollten die jüngeren Brüder
Pippin im Westen und Ludwig im Osten Sonderreiche er¬
halten. Das Bestreben des Kaisers, für seinen jüngsten, einer
zweiten Ehe entstammenden Sohn Karl auf Kosten der Brüder
ein weiteres Unterreich zu errichten, rief einen langwierigen
Familienzwist hervor. Als schließlich die drei älteren toohne in
Waffen dem Vater gegenüber standen, sah sich dieser von seinen
Kriegern schnöde verlassen, und den Rest bat er selbst, den
Söhnen sich anzuschließen, „denn ich will nicht, daß jemand
meinetwegen an Leib oder Leben Schaden nehme". Das war
auf dem Rotfeld unweit Kolmar, welches seither das Lügen-
seld heißt.
Lothar zwang nun den gefangenen Vater zu öffentlicher
Kirchenbnße; weitere Mißhandlung verhinderten Pippin und
Ludwig. Dennoch wollte der Kaiser nach Pippins Tode bei
einer neuen Teilung Ludwig sein Erbe nehmen bis auf
Bayern, und als der Gekränkte sich zur Wehr setzte, rückte er
ins Feld gegen seinen besten Sohn. Da ereilte ihn auf einer
Rheiuinsel bei Ingelheim der Tod.
Aber nun wütete in dem ungeheuern Reich ein verheerender
Bruderkrieg, bis der herrische Lothar trotz heldenhafter Tapfer¬
keit den verbündeten Heeren Ludwigs und Karls erlag. Jetzt
endlich willigte er in die endgültige Teilung des Reiches,
843 welche zu Verdun an der Maas vereinbart wurde. Lothar er¬
hielt mit der Kaiserkrone das ehemalige Langobardenreich und
das nach ihm benannte Lothringen: einen Landstreifen, der west¬
wärts von der unteren Schelde, der mittleren Maas, der Saöue
und deu Sevennen umschrieben wurde, während die östliche
Grenzlinie von der Wesermündung, die Friesenküste einschließend,
zum Rhein (unterhalb der Moselmündnng), dann an Rhein und
Aar entlang zu den Alpen lief. Was von Lothars Reiche
westlich lag, erhielt Karl „der Kahle"; das vorwiegend bäuer¬
liche Ostland nebst der weinreichen Gegend um Speier, Worms
und Mainz verblieb Ludwig dem Deutscheu. Von da an
kann erst von einem französischen und einem deutschen
Volke gesprochen werden.
Als nach wenig Jahrzehnten Lothars Haus in Deutschland