Full text: Lehrbuch für den erzählenden Geschichts-Unterricht an Mittelschulen

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lichen Büchern und dem Ansprüche wohlmeinender Freunde 
schöpfte er Trost. 
Auf den Vorschlag seines edeln Vorgesetzten, des Ordens¬ 
vikars Johann von Staupitz, berief ihn Kurfürst Fried¬ 
rich der Weise von Sachsen als Professor der Philosophie 
und Theologie an seine neue Universität Wittenberg. Die 
Thätigkeit des Lehrers und Predigers, der Umgang mit der 
lerneifrigen Jugend, mit dem gefeierten Maler und Bürger¬ 
meister Lukas Kran ach und anderen tüchtigen Bürgern bot 
ihm Befriedigung. Zugleich vertiefte er sich immer mehr in die 
Bibel. Durch sie erkannte er in Gott den Vater der Liebe 
und die Gewißheit der Erlösung.^ 
Noch stand ihm eilt schwerer Kampf bevor. 
Papst Julius II., der große Freund und Kenner der 
Kunst, an dessen Hofe der Bildhauer Michel Angelo und 
der Maler Raffael Santi wirkten, faßte den Plan, die 
St. Peterskirche zu erneuern, und sein Nachfolger Leo X. schrieb 
einen Ablaß aus, mit dessen Ertrag der Bau vollendet werden 
sollte. Diesen Ablaß pries in Deutschland der Dominikaner 
Teyel als ein Mittel, die Seelen Lebender und Verstorbener 
von den -Qualen des Fegefeuers zu befreien. Unter Glocken¬ 
geläute ritt er, von zahlreichen Mönchen begleitet, in die Städte 
ein, um in der Kirche unter wehenden Fahnen seine Ablaßzettel 
feilzubieten. 
Luther klagte, niemand sei geneigt, „der Katze die Schellen 
umzubinden". Als aber seine eigenen Pfarrkinder dem Abla߬ 
krämer zuliefen, hielt er sich verpflichtet, gegen das allgemeine 
Ärgernis einzuschreiten. Am Vorabend deS Allerheiligenfestes, 
1517 am 31. Okt. 1517, heftete er an die Thüre der Schloßkirche zu 
Wittenberg seine 95 Thesen, Lehrsätze, welche er nach da¬ 
maliger Gelehrtensitte in öffentlicher Besprechung (Disputation) 
zu verteidigen gedachte. Der Ablaß sei nur ein Nachlaß der 
Kirchenstrafen; Vergebung der Sünden erreiche man nur diirck 
Zerknirschung des Herzens, wie er sie an sich selbst so qualvoll 
erfahren; das ganze Leben des Gläubigen müsse eine unaufhör¬ 
liche Buße fein./ 
Mit diesem Schritte begann die Reformation der Kirche. 
Die Buchdruckerkunst verbreitete in wenig Wochen die 
Thesen über ganz Deutschland; allgemein war die Erbitterung 
gegen Tetzels Schacher mit dem Heiligsten. Vor dem Kar- 
dinal-Legaten Cajetauus, der auf Kaiser Maximilians letztem 
Reichstag in Augsburg erschien, weigerte Luther den geforderten 
Widerruf, wenn man ihn nicht widerlege; und der Kirchenfürst 
vermochte der „deutschen Bestie" kaum in die tiefliegenden Augen
	        
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