Full text: Annalen des Deutschen Reichs im Zeitalter Heinrichs V. und Lothars v. Sachsen (Abt. 3, Bd. 2, Hälfte 2)

'770 
Anhang. 
Kandidaten. Unter ihm wurde es Regel, die Kirchenämter zu kaufen (Hauck 
S. 544 ff.). Die Bildung des Klerus sank ebenso wie sein Ansehen bei den 
religiös Gesinnten. Der Widerspruch der Reichskirchenverfassung gegen die 
Satzungen der alten Kirchenväter und die Ansprüche des römischen Stuhls 
wurde fühlbar. Heinrich III. kam den Forderungen der Reformfreunde soweit 
entgegen, dafs er den Ämterkauf, die Simonie, gänzlich beseitigte, den geist¬ 
lichen Gerichtsstand der Bischöfe anerkannte und Priestersöhne vom Klerus aus- 
schlofs; aber fest behielt er stets die Leitung der Kirche in seiner Hand. Er 
war durchdrungen von den hohepriesterlichen Ideen der Ottonen. Aber er 
mufste den Wechsel der Zeiten erfahren. Zuerst in der Person des Bischofs 
Wazzo von Lüttich trat ihm das revolutionäre Prinzip des kanonischen Rechts 
offen entgegen (Hauck III, S. 579), revolutionär, weil es den historisch be¬ 
gründeten Rechten des Königtums die abstrakten Systeme weltfremder Theologen 
vergangener Zeiten mit dem Anspruch auf ewige Gültigkeit gegenüberstellte. 
Die pseudoisidorischen Dekretalien wirkten schon anderthalb Jahrhunderte. Das 
11. Jahrhundert sah neue Kanon Sammlungen entstehen: 1020 des Burchard 
von Worms, 1025 des Ivo von Chartres, 1086 des Anselm von Lucca (Kurtz 
I, S. 336). Durch den noch vereinzelten Widerspruch der Fanatiker liefs sich 
Heinrich nicht irre machen. Die letzten Jahre seiner Regierung geben in der 
grofsartigen gemeinsamen Arbeit des Kaisers mit seinem deutschen Papst noch 
das Bild der höchsten Leistung der alten Verfassung kurz vor ihrem Zusammen¬ 
bruch. Der plötzliche Tod Heinrichs III. war vielleicht das gröfste Unglück, 
das Deutschland je erfuhr. Während der Unmündigkeit seines Sohnes fanden 
die Elemente der aristokratischen und klerikalen Revolution Zeit sich zu sammeln. 
Das Eigentumsrecht der Laien am Kirchengute war den Lateinern unverständlich 
und mufste ihnen als AVillkür erscheinen. Die in den kirchlichen Kreisen 
herrschende Stimmung fand ums Jahr 1070 ihren Ausdruck in den Worten 
des Placidus von Nonantula: Quod semel ecclesiae datum est, in perpetuum 
Christi est nec aliquo modo alienari a possessione ecclesiae potest, in tantum, 
ut etiam idem ipse fabricator ecclesiae, postquam eam deo voverit et conse- 
crari fecerit, in ea deinceps nullum ius habere possit.1 Die Stellung der 
Reichsbischöfe wurde untergraben durch die von Frankreich eindringenden 
Cluniazensermönche, deren Klöster in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts 
sich über ganz Deutschland verbreiteten, dabei aber immer im Zusammen¬ 
hang untereinander blieben und ihr gemeinsames Oberhaupt im französischen 
Cluny sahen.2 Die Stellungnahme des schlechtberatenen jungen Königs, der auf 
Konrads II. Politik zurückging, verschärfte den Konflikt. Papst Gregor VII. 
1) Lib. de hon. eccl. c. 7. Pez, thes. anecd. II, 2, 88. Vgl. Hinschius, KE. II, S. 628. 
2) Annal. Ill, 2, S. 86 f., 269 ff.
	        
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