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schlungen. Durch die fortwährenden Bedrückungen waren die Landleute
stumpf und träge geworden; sie dachten nicht dar-an wie sie ihr Land
gut bebauen und hohe Erträge erzielen konnten. Daher berief die Kur-
fürstin Gärtner und Landwirte aus Holland, die den unwissenden Branden-
bnrqern zeigten, wie Ackerbau und Viehzucht gut zu betreiben seien. xsu
einem Dorfe bei Berlin, das der Kurfürstin zu Ehren Oranienburg ge-
uannt wurde, legte diese eine Musterwirtschaft an; sie gmg selbst m die
Gärten und Felder, die Scheuern, Ställe nnd Milchkammern und führte
sorgfältig Buch über die Einnahmen und Ausgaben. Hier lief; ste die
ersten Kartoffeln anbauen und führte mancherlei neue Gemüse em, B.
den Blumenkohl. Zur Hebung der Blumenzucht ließ sie von ihrer
Mutter kostbare Tulpenzwiebeln nach Berlin kommen, aber der Gärtner,
der solche noch nie gesehen hatte, hielt die Blumenzwiebeln für eßbar,
ließ sie kochen, und sand sie abscheulich bitter.
4 iftihurnigkcit bet SuxfürjtiiL Nicht minder als um das
leibliche Wohl ihrer Unterthanen war die Kurfürstin um deren Seelen¬
heil besorgt. Sie selbst gmg durch tiefe Frömmigkeit nnt dem besten
Beispiele voran. Jeden Tag begann sie mit einer Morgenandacht, an
welcher ihre Kinder unb die ganze Dienerschaft teilnahmen. Täglich
besuchte sie die Kirche, brachte viele Stunden int Gebete zu und dichtete
schöne Kirchenlieder, die heute noch gesungen werd'en. — Auch ihre
Kinder ließ sie in Frömmigkeit und Gottesfurcht erziehen. Dem Erzieher
ihrer Söhne schärfte sie die Mahnung ein: „Die Religion ist das Haupt¬
stück alles Wissens. Was ist es nütze, wenn einer alle Erkenntnis hatte
und dabei ein böses, gottloses Herz? Helset uns daher mit allem Flech
weiter, daß unsere Kinder fromme, gottessürchtige Menschen werden.
5. Der Tod der Kurfürstin. Die weiten, beschwerlichen Reisen
und die Sorge um ihre Kinder erschütterten die Gesundheit der Kur-
sürstin. Im Jahre 1666 fühlte sie sich sehr krank und reiste daher zu
ihrer Mutter nach Haag. Auch hier war ihre Zeit dem Gebete und
den Werken der Wohlthätigkeit geweiht. Aber ihre Kräfte nahmen rasch
ab Sie wollte nicht fern von ihrem Gemahl und ihren Kmdern sterben;
daher begab sie sich nach Berlin zurück. Hier starb sie, noch nicht
40 Jahre alt. Der Kurfürst war aufs tiefste betrübt. „Das ist der
größte Schmerz meines Lebens" hörte man ihn wiederholt klagen. Noch
viele Jahre später trat er oft, wenn er eine wichtige Ausgabe zu loieu
hatte, vor ihr Bild und rief: „O Luife, Luife, wie vermisse ich dich.
Eine goldene Kapsel mit ihrem Bilde trug er stets aus seinem Herzen.
Auch vom Volke wurde sie ausrichtig betrauert.
Zur Vertiefung. 1. Volkstümlich und treffend schildert G. Hesekiel das leben
der Kurfürstin im folgenden Gedichte:
Luise ^enriette.
Kurfürst Friedrich Wilhelm war j Die, um die er werben ließ,
Grade sechs und zwanzig Jahr, ! Luise Henriette hieß,
Als er hat daran gedacht, Eine Fürstin keusch und rein,
Wie er endlich Hochzeit macht. Prinz Oraniens Töchterlein.