Full text: Handbuch der brandenburgisch-preußischen Geschichte (2)

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IT. Me wichtigsten Bestimmungen der preußischen Verfassung. 
1. Inhaltsübersicht. Die Verfassung besteht aus 9 Hauptab¬ 
schnitten (Titeln), die wieder in kleinere Abschnitte (Artikel) eingeteilt 
sind. Diese 9 Titel sind: Titel I. Vom Staatsgebiet, Tit. II. Von den 
Rechten der Preußen, Tit. III. Vom Könige, Tit. IV. Von den Ministern, 
Tit. V. Von den Kammern, Tit. VI. Von der richterlichen Gewalt, 
Tit. VII. Von den nicht zum Richterstand gehörigen Beamten, Tit. VIII. 
Von den Finanzen, Tit. IX. Von den Gemeinden, Kreis-, Bezirks-, und 
Provinzial-Verbänden, — dann folgen noch allgemeine und Übergangs¬ 
bestimmungen. 
(Nicht alle Teile der Verfassung sind für alle Preußen gleich wichtig; 
die Tit. VII., IX. u. a. gehen nur bestimmte Klassen der Bevölkerung an, 
daher sind nur diejenigen Abschnitte eingehend zu behandeln, welche für 
alle Preußen wichtig sind.) 
2. Tit. I. Vom Staatsgebiete bestimmt, daß die Grenzen 
des Staatsgebietes nur durch ein Gesetz verändert werden können. 
3. Tit. II. Von den Rechten der Preußen ist ein sehr- 
wichtiger Abschnitt. Die bedeutsamsten Artikel desselben sind: (4) Alle 
Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Standesvorrechte finden nicht 
statt. (5) Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. (6) Die Wohnung 
ist unverletzlich. (9) Das Eigentum ist unverletzlich. (12) Die Freiheit 
des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung zu Religionsgesellschaften 
und der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Religionsübung wird 
gewährleistet. (21) Für die Bildung der Jugend soll durch öffentliche 
Schulen genügend gesorgt werden. Eltern und deren Stellvertreter 
dürfen ihre Kinder nicht ohne den Unterricht lassen, welcher für die öffent¬ 
lichen Volksschulen vorgeschrieben ist. (27) Jeder Preuße hat das Recht, 
durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei 
zu äußern. (33) Das Briefgeheimnis ist unverletzlich. (34) Alle Preußen 
sind wehrpflichtig. 
Wertiesurrg. Art. 4. Was bedeuten die Worte „vor dem Gesetze"? 
(Ungleichheit der Geburt und der Vermögensverhältnisse im bürgerlichen Leben. 
Der Richter aber spricht das Urteil ohne Rücksicht auf die Person, ganz gleich, 
ob es sich um vornehme oder niedrige, reiche oder arme Personen handelt. 
Früher waren manche Ämter, der Besitz von Rittergütern nur den Adligen zu¬ 
gänglich; diese „Standesvorrechte" sind jetzt abgeschafft. Ebenso sind alle 
Preußen verpflichtet, in die Schule zu gehen und im Heere zu dienen. Nur den 
Mitgliedern der königlichen und einiger früher selbstherrschenden Familien sind 
einige Vorrechte zugestanden.) 
Art. 5. Die persönliche Freiheitist zweifach: unfrei ist der Sklave 
oder Leibeigene, unfrei der Gefangene. Sklaverei oder Leibeigenschaft ist in 
Preußen ausgeschlossen; gefangen genommen darf nur derjenige werden, der 
entweder auf einer strafbaren Handlung betroffen wird oder gegen den der 
Richter einen Befehl zur Verhaftung erläßt. Letzteres geschieht erst nach der 
Untersuchung, so daß niemand nur nach Laune oder Willkür eingesperrt werden darf.
	        
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