40 Buch II. Physische Geographie. Cap. II. Die Wasserwelt.
wo das Meer durch einen fremden Körper, z. B. den Kiel des segelnden
Schiffes oder die Schraube des Dampfers, in lebhafte Bewegung versetzt wird.
Man weiß jetzt, daß kleine Meerthiere, besonders aus deu Klassen der Krebse
und Quallen, welche ähnlich unseren Johanniswürmchen während ihres
Lebens Licht zu entwickeln im Stande sind, die Erscheinung verursachen.
§. 12. Was die Bewegungen des Meeres anbetrifft, so sind sie
' dreierlei Art. Erstens die BZellenbewegung, hervorgerufen durch
den Einfluß des Windes, in einzelnen Fällen aber auch durch Erdbeben
und vulkanische Eruptionen. Es ist bekannt, daß dabei die Wasser-
theilchen sich wesentlich nur auf und ab bewegen, aber nicht seitwärts
vorwärtsgehen, so daß das scheinbare Fortschreiten der Wellen nur eine
fortschreitende Uebertragung der Bewegung an benachbarte Wassertheilchen
ist. Man unterscheidet bei der Welle das Wellenthal und den
Wellenberg; der verticale Abstand ihrer äußersten Puukte ist die Höhe
der Welle, die einestheils von der Kraft des Windes, andererseits von
der Tiefe des Meeres abhängig ist; Wellen, welche höher wären als
40 Fuß, dürften wohl kaum vorkommen. Die Breite der Welle ist
der Abstand von einem Wellenberg zum andern; sie beträgt bei niedrigen
Wellen das 20sache, bei den höchsten das 10fache der Höhe, also höch¬
stens 400 Fuß. Die Tiefe, bis zu welcher im Meere die Wellenbewegung
spürbar ist, beträgt, nach Experimenten im kleinen zu schließen, das
350sache der Wellenhöhe; in der Nordsee wird daher das Meer fast
stets bis auf den Boden in Bewegung fein, und dadurch sein Wasser
getrübt werden. Die Schnelligkeit der Wellen hängt von der Tiefe
des Meeres und der Stärke des Windes ab und ist bei heftigen Stürmen
oft größer als die des Windes; sie erscheinen dann, von dem Seemann
mit dem Namen der Dünnung bezeichnet, als Vorboten des Sturmes
und sind den Schiffern höchst gefährlich.
Auffallender und großartiger ist die durch dfe anziehende Kraft der
Sonne und des Mondes hervorgerufene Bewegung der Ebbe und
Fluth oder der Tiden (Gezeiten). Die Erscheinung besteht darin,
daß in 24 Stunden und 50 Minuten, oder, genauer, innerhalb der
Zeit zweier auf einander folgender Culminationen des Mondes der
Stand des Meeres zweimal ein höchster (Hochwasser) und zweimal ein
niedrigster (Niedrigwasser) ist, und zwar so, daß für das Steigen
(Flnthen) und Sinken (Ebben) des Meeres genau die gleiche Zeit von
jedesmal 6h 127/ erfordert wird. Der Höhenunterschied zwischen Hoch-
und Niedrigwasser ist am größten zur Zeit des Neu- und Vollmonds
(Springsluth), am kleinsten zur Zeit der Viertel (Nippsluth); im
Laufe des Jahres treten die höchsten Fluthen zur Zeit der Nachtgleichen
ein und werden besonders hoch, wenn zugleich der Mond in der Erd¬
nähe sich befindet. — Es scheint die Fluth eine große Welle zu bilden,
welche im Allgemeinen dem Lause des Mondes folgend, sich in der
Richtung von Ost nach West um die Erde bewegt. Dabei wird aber
der Gang derselben durch die Eonfiguration der Kontinente abgeändert.
Die Fluth z. B., die um 1 Uhr beim Cap der guten Hoffnung ist,
berührt 12 Stnnden später die Azoren, hat 12 Stunden später die