Ausführliche Behandlung eines Abschnittes aus der
Länderkunde.
Die natürlichen Verhältnisse der Kolonien des Deutschen
Reiches in ihrem Einfluß auf die wirtschaftliche Entwicklung
derselben.
1. Allgemeines.
a) Entstehung und Arten der Kolonien. Bald nach der Entdeckung
Amerikas und der Auffindung des Seeweges nach Ostindien nahmen die
Schiffahrt treibenden Völker Westeuropas, die Spanier, Portugiesen, Hol-
länder, Engländer und Franzosen, Besitz von überseeischen Ländern;.sie grün-
deten Kolonien^, um deren Erzeugnisse, die Kolonialwaren, dem Mutterlande
zuzuführen, und um Absatzgebiete zu gewinnen für die in der Heimat her-
gestellten Waren. Neben diese Handelskolomen traten sehr bald Plantagen-
kolonien, das sind Niederlassungen in heißen Gegenden, deren Boden durch
Eingeborene oder durch Arbeiter, die man aus warmen Ländern einführt, mit
wertvollen tropischen Nutzpflanzen (Zuckerrohr, Kaffee, Kakao, Tabak, Baum-
wolle usw.) bestellt wird. Durch Ausbeutung der Mineralschätze entwickelten
sich im Laufe der Zeit die Handels- und Plantagenkolonien zu Wirtschafts-
kolonien, in denen wie bei den vorigen die weiße Bevölkerung, die das Klima
an körperlicher Betätigung hindert, die Aufsicht über die Arbeiter ausübt und
das für den Betrieb erforderliche Kapital beschafft.
Unternehmungslust, Gewinnsucht, Unzufriedenheit mit den politischen,
wirtschaftlichen oder religiösen Zuständen der Heimat hatte im 17., 18. und
19. Jahrhundert eine stetig wachsende Auswanderung aus den europäischen
Ländern zur Folge. Sie richtete sich hauptsächlich uach Gegenden, deren Klima
dem des Mutterlandes ähnlich ist (also nach Ländergebieten der gemäßigten
Zone), wo die Auswanderer Landwirtschaft wie in der Heimat zu treiben ver-
mochten. Die wichtigsten dieser Ackerbau- oder Siedlungskolonien ent-
standen in Kanada, im Kaplande, in Algerien, Australien und Südwestafrika.
b) Gründung der deutschen Kolonien. Schou der weitschauende Große
Kurfürst hatte während seines Aufenthalts in den Niederlanden die große Be-
deutuug der Kolonien erkannt. Er gründete daher 1682 die erste deutsche
Kolonie an der Küste von Oberguinea, die kleine Kolonie Groß-Friedrichsbnrg.
Bald entwickelte sich ein reger Verkehr zwischen der Kolonie und dem Mutter-
lande. Aber gegen den Neid der Holländer konnten sich diese nnd noch andere
afrikanische Besitzungen nicht lange halten. Friedrich Wilhelm I. verkaufte sie
daher gegen eine geringe Summe an die Niederländer.
Die politisch und wirtschaftlich ungünstigen Verhältnisse des Deutschen
Reiches brachten es mit sich, daß in den nächsten 150 Jahren an die Erwerbung
1 Unter Kolonie (vom lat. colonus — Feldbauer, Ansiedler) versteht man nach dem
heutigen Sprachgebrauch fast ausschließlich überseeischen Länderbesitz eines Staates.
E. von Seydlitz, Geographie. E. 7. Neubtg. ß