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Auf zahlreichen langen Kähnen bringen sie ihre aus dem Innern des
Landes empfangenen Handelsartikel: Palmöl und Elfenbein — die Haupt—
erzeugnisse der Kolonie —, Palmkerne, Eben- und Rotholz, zu den stattlichen
Faktoreien, die meist großen Hamburger Handelshäusern gehören, oder zu
den in die Bucht hereinfahrenden Seeschiffen der Europäer und tauschen
dafür Baumwollstoffe, Rum, Tabak, Gewehre, Pulver, Salz, Seife, Perlen,
Bandeisen, Messer und Beile ein. Die europäischen Händler und Agenten
werden freilich bei diesem Tauschhandel auf eine harte Geduldprobe gestellt,
da der Neger nicht bloß endlose Zeit und große Schlauheit aufwendet,
um seine Waren so teuer als möglich loszuschlagen und die europäischen
so billig als möglich zu erlangen, sondern auch wie ein Kind schwankt
zwischen dem, was ihm begehrenswert erscheint. Er hat bald an diesem,
bald an jenem Muster des Baumwollenzeuges auszusetzen, bemerkt jeden
Fehler an der Ware, erachtet den Stoff zum Baumwollenschurz, um den
er zuerst feilschte, weniger wichtig als ein Gewehr, und kaum ist der Handel
darüber abgeschlossen, so möchte er den Durst durch Rum befriedigen und
am Ende noch ein Geschenk obendrein haben.
Durch den Handel sind viele Kameruner zu einer gewissen Wohl—
habenheit gelangt. Wer aber bei ihnen als reich gelten will, muß viele
Sklaven und Weiber haben. Die Mädchen werden von ihren Vältern
verkauft und kosten durchschnittlich 9900 —-1200 Mark, oft aber, wenn die
Väter angesehene Leute sind, noch viel mehr. Daher müssen ärmere
Dualla gewöhnlich lange dienen, um eine Frau zu erlangen. Die Frauen
gelten als freies Eigentum der Männer, von denen sie weiter verschenkt
oder verkauft werden können. Da sie aber der teuerste Handelsaritikel
sind, so geschieht dies nur in wichtigen Fällen, z B. bei Friedensschlüssen
zwischen streitig gewesenen Stämmen oder als Buße für einen ermordeten
unfreien Neger.
Die einzelnen Negerdörfer, von denen jedes ein kleines Königreich
bildet und von einem Dorfkönig oder Häuptling regiert wird, leben oft
in Streit miteinander. Heraufbeschworen werden die zahllosen Fehden
hauptsächlich durch den bei allen Dualla geltenden Grundsatz der Blut—
rache. Droht zwischen zwei Dörfern ein Kampf auszubrechen, so werden
auf dem freien Platze vor der Hütte des Häuptlings täglich Versammlungen
und Beratungen abgehalten. Auch große kriegerische Aufzüge zu Wasser
und zu Lande, bei denen die feindlichen Parteien sich unter wilden Gesängen
herausfordern, finden täglich statt. Kommt es zum Kampfe, so werden
wohl gewaltige Pulvermengen verschossen, aber selbst bei wochenlangem
Kriege ist die Zahl der Toten und Verwundeten nur gering; denn die
Kämpfenden gehen nicht soweit gegeneinander vor, daß es zu einem Hand—
gemenge käme, sondern feuern aus weiter Entfernung hinter Bäumen,
Gräben und Verschanzungen hervor, hinter denen sie sich verbergen.
Die Feindseligkeiten zwischen den Bewohnern der verschiedenen Dörfer
sind aber in neuerer Zeit seltener geworden. Seitdem die Neger durch den
immer mehr zunehmenden Handel häufiger mit den Europäern in Berührung
kommen, und seitdem christliche Missionare mit Erfolg unter den Kameruͤnern
arbeiten, verschwinden allmählich die rohen Sitten und Gebräuche. Auch
die Schule, welche die deutsche Regierung zu Kamerun unterhält, und in
der ein deutscher Lehrer die Negerkinder unterrichtet, wirkt veredelnd auf
die Eingebornen.