Metadata: Dichtung der Neuzeit (Teil 2)

§ 12. Gellert. 
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Er starb und ließ bei seinem Sterben 
Den dreifach spitzen Hut dem Erben. 
Der Hut war freilich nicht mehr rein; 
Doch sagt! wie konnt' es anders sein? 
Er ging schon durch die vierten Hände. 
Der Erbe färbt ihn schwarz, damit er 
was erfände. 
„Beglückter Einfall!" ries die Stadt, 
„So weit sah keiner noch, als der ge¬ 
sehen hat. 
Ein weißer Hut ließ lächerlich; 
Schwarz, Brüder, schwarz, so schickt 
es sich." 
Er starb und ließ bei seinem Sterben 
Den schwarzen Hut dem nächsten Erben. 
Der Erbe nimmt ihn in sein Haus 
Und sieht, er ist sehr abgetragen; 
Er sinnt und sinnt das Kunststück aus. 
Ihn über einen Stock zu schlagen. 
Durch heiße Bürsten wird er rein, 
Er faßt ihn gar mit Schnüren ein. 
Nun geht er aus, und alle schreien: 
„Was sehn wir? Sind es Zaubereien? 
Ein neuer Hut! O glücklich Land, 
Wo Wahn und Finsternis verschwinden! 
Mehr kann kein Sterblicher erfinden, 
Als dieser große Geist erfand." 
Er starb und ließ bei seinem Sterben 
Den umgewandten Hut dem Erben. 
Erfindung macht die Künstler groß 
Und bei der Nachwelt unvergessen; 
Der Erbe reißt die Schnüre los. 
Umzieht den Hut mit goldnen Tressen, 
Verherrlicht ihn durch einen Knopf 
Und drückt ihn seitwärts auf den 
Kopf. 
Ihn sieht das Volk und taumelt vor 
Vergnügen. 
Nun ist die Kunst erst hoch gestiegen. 
„Ihm", schrie es, „ihm allein ist Witz 
und Geist verliehn; 
Nichts sind die andern gegen ihn!" 
Er starb und ließ bei seinem Sterben 
Den eingefaßten Hut dem Erben. 
Und jedesmal ward die erfundne Tracht 
Im ganzen Lande nachgemacht. 
(Ende des ersten Buches.) 
Was mit dem Hute sich noch ferner zugetragen, 
Will ich im zweiten Buche sagen. 
Der Erbe ließ ihm nie die vorige Gestalt. 
Das Außenwerk war neu; er selbst, der Hut, blieb alt. 
Und daß ich's kurz zusammenzieh': 
Es ging dem Hute fast wie der Philosophie. 
Zu dem Leipziger Dichtervereine gehörte auch Klopstock, der 1748 
in den „Bremer Beiträgen" die drei ersten Gesänge seines „Messias" er¬ 
scheinen ließ, mit deren Herausgabe die neue Periode der Literatur anhebt. 
Liebte Periode oder zweite Ltüteperiode, von 1748 ab. 
8 13. 
Auf allen Gebieten der Wissenschaften und Künste zeigte das deutsche 
Volk in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein emsiges Arbeiten 
und Vorwärtsstreben, ein überraschendes Fortschreiten; so in der klassischen 
Philologie, in der Altertumswissenschaft, besonders in der Geschichte der
	        
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