Full text: [Teil 8 = (9. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 8 = (9. Schuljahr), [Schülerband])

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auch Eiweiß der Wahrsagung. In Klein-Ellguth spricht man beim Vlei- 
gießen: 
Ach, Andreas, heiliger Schutzpatron, 
sende mir doch einen Mann! 
Krieg' ich einen? oder keinen? 
Einen. — Das ist lobenswert, 
wird er auch beständig sein? 
wird er auch zu andern gehn, 
oder liebt er mich allein? 
Die eigentliche Stätte dieses Wahrsagezaubers ist das Zimmer des 
Mädchens, hier streut sie Hafer und Leinsamen in alle vier Winkel 
und spricht.' 
Eas, Keas, 
mein lieber St. Andreas, 
ich sä', ich sä' haberlein, 
daß mir mein Schatz allerliebst erschein' 
in der Wahrheit und in der Tat, 
was er um und an sich hat. 
Dann kommt er in leibhaftiger Gestalt zur Tür herein. 
Bei all diesen Besprechungen und Zauberhandlungen handelt es sich 
um eine Beschwörung, die für denjenigen, der oder dessen fylgja, Folgerin, 
d. h. Seele, in irgendeiner Gestalt erscheinen soll, mit seelischer Pein, mit 
alpdruckähnlichem Schmerze, ja, auch Lebensgefahr verknüpft ist, wovon 
viele Sagen gehen. 
Die zwölf Nächte. 
Besonders in den Zwölfen hat sich in Brauch und Glauben viel alt¬ 
germanischer Besitz erhalten. Die Tage fallen in den einzelnen Gegen¬ 
den Deutschlands verschieden. In Schlesien sind es gewöhnlich die zwölf 
Tage vor Weihnachten; in den polnischen Teilen, der Gebirgsgegend und 
der Grafschaft, die auch hierin christlichem Einflüsse mehr Eingang ge¬ 
währte, ist es wie sonst meist in Deutschland die Zeit von Weihnachten 
bis Dreikönigstag; im polnischen Gberschlesien rechnet man auch vom 
Luciatage (13. Dezember) bis Weihnachten. Nach christlicher Umdeutung 
treiben jetzt, wo früher Wodan und die andern Götter umherzogen, Spuk 
und böse Mächte ihr Spiel; namentlich in der zweiten Hälfte dieser Tage 
muß man sich vor ihnen hüten: es erscheinen Irrlichter und Gespenster, 
und frei walten die hexen. Haus, Feld und Garten werden mit Zauber¬ 
schutz umgeben. Man brennt zwischen Weihnachten und Neujahr die 
ganze Nacht hindurch Kien, um durch den Nauch die hexen und bösen 
Geister von Haus und Hof fernzuhalten. Man fastet am ersten Weih- 
Lesebuch f. höh. Mädchensch. VIII. S. 9
	        
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