224 § 118- Die heiligen Orte, Altäre und Tempelgeräte.
Oberhaupt. So lange die Volksversammlungen blüten, in denen
ja immer Opfer (sacra popularia) dargebracht wurden, zählten die
Kurionen zu den höchsten Priestern.
Anmerkung. Dienstpersonal. Die Priesterkollegien hatten ein zahlreiches
Personal von Gehülfen und Dienern zur Seite. Dahin gehören die aeditui,
Tempeldiener; victimarii, Opferschlächter, auch popae und cultrarii genannt;
pullarii (Liv. 8, 30), Wärter der heiligen Hühner für die Haruspices und
Augurn; lictores, besonders für den flamen Dialis und die Yestalinnen; fictoresf
Bäcker der Opferkuchen ] fidicines, tibicines und tubicines. Dann eine Anzahl
praecones, scribae, viatores u. s. f. Alle diese Dienerschaften bildeten Zünfte
(collegia) mit einem magister oder curator als Obmann. Dazu kam eine An¬
zahl von servi publici und endlich Opferknaben und -Mädchen, camilli und
camillae, Kinder von vornehmen patricischen Geschlechtern; sie mufsten ehe¬
lich sein und noch beide Eltern haben (patrimi et matrimi, Liv. 37, 2). Sie
thaten Dienste bei Opfern, Opfermahlzeiten und Spielen und übten sich vom
zarten Alter an für gewisse Priestertümer ein.
B. Die heiligen Orte, Altäre und Tempelgeräte.
§ 118.
1. Haine und Bäume. Die Römer sollen 170 Jahre weder
Tempel noch Götterbilder gehabt haben. Gerne suchten sie in
der älteren Zeit das eigentümliche Dunkel der Wälder, die freien
Plätze auf Bergen, an Quellen und Flüssen und die Haine auf,
um hier Opfer und Gebete der Gottheit darzubringen. Zu diesem
Zwecke schieden sie einen heiligen Raum (area) oder Hain (lucus i,
Lichtung), oder einen Weideplatz (nemus) aus, d. h. konsekrierten
ihn (consecrare, von sacer, vgl. althochdeutsch unh) zur „Weihe¬
stätte“; wie ja templum selbst ursprünglich kein Gebäude, sondern
einen eingeweihten und eingefriedeten offenen Raum bezeichnet.
Die Götter liebten nach alter Anschauung sehr die einsamen
Waldplätze und Lichtungen. — Damit steht der Baumkult im
engsten Zusammenhang und nahmen die arhores sacrae eine be¬
sondere Stelle im Gottesdienste ein.
Die Eiche war dem Juppiter, der Lorbeer dem Apollo, der Ölbaum der
Minerva, die Myrte der Yenus, der Ficus der Ceres, die Fichte der Cybele,
die Pappel dem Herkules heilig. Daher der Gebrauch bei Festspielen, Sup¬
plikationen, Lustrationen etc., Zweige von heiligen Bäumen zu verwenden,
Kränze daraus zu flechten u. s. f. Eine Hauptrolle spielte der Lorbeer (Sie¬
geskränze beim Triumph, Umbinden der Fascen und Briefe mit Lorbeer: fasces
laureati, literae laureatae). Die heiligen Bäume wurden wie Tempel und
Altäre jeder profanen Berührung entzogen, mit einem septum umgeben oder
selbst ein dachloser Bau (sacellum) um den Baum errichtet, ein Brunnenring
1 Lucus, von lucere, griechisch Xiuaaiu, althochdeutsch loh, Lichtung.