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würde, wenn die darüber befindliche Wasserfluth verliefe, so erscheint jetzt
das Land Schweden. Ursprünglich vom Meere bedeckt, ist es, wie Goth-
land, wie Finnland und die meisten Länder Europa's — aus dem Meeres-
schooße aufgestiegen und zwar in einer Zeit, welche in geologischem Sinne
als eine neue bezeichnet werden muß. Denn noch hat das Land seinen
ursprünglichen Charakter als Seeboden in keiner Weise überwunden. In
ungeheurer Ausdehnung, in unglaublichen Massen tritt hier das Urgestein
auf und trotzt den zerstörenden Einflüssen des nordischen Klima's. Wäh ¬
rend anderswo die Felsen zerbröckelt und in Ackerkrume verwandelt sind,
in jene weiche Masse, aus welcher die Cultur keimt, starren uns hier die
Granit-, die Gneis-, die Porphyrblöcke an und bilden ein Chaos, in
welchem der bloße Gedanke erlahmt, wie viel mehr die Hand des Menschen,
den eine wenig gütige Natur nöthigt, mit dem unerbittlichen Gestein
um sein Dasein zu ringen.
Soweit dein Auge blickt, ein unermeßliches Fels-, Pflanzen- und
Baumchaos, jenes seltsame Gemisch, das die Schweden einen skog nennen.
Denn die Felsbrocken, die ganze Erdoberfläche bedeckend, sind wieder meist
in einen doppelten Mantel gehüllt. Moos und Gräser, Farrenkräuter
und allerlei kleines Pflanzengestrüpp, Preißel- und Blaubeeren, Porst und
Wachholder bedecken die Felswüste wie mit einem einzigen Teppich. Dar¬
über aber erhebt sich der Baumwald, selten aus Eichen, Buchen und an¬
deren Laubbäumen gebildet, meist ein Gemisch von Fichten, Kiefern, Erlen
und Birken. Diese drei Elemente, zu unterst das starrende Felsge-
trümmer, gehüllt in den Pflanzenteppich, welcher pelzartig dasselbe
überzieht, und dann der Baumwald, diese drei im Verein bildenden
schwedischen skog, den Feind aller Cultur, den Sitz aller Unholde. Gehst
du in einen solchen Skog, so hast du in wenig Minuten Pfad und Rich¬
tung verloren. Hier und da leitet dich wohl ein von dem weidenden Vieh
getretener Gang, imnler aber in die Irre; du brichst durch den Pflanzen¬
pelz, welcher die Untiefen überzieht, du zerreißest deine Kleider, deine Haut
an Gestrüpp und Felskanten und verzichtest auf jedes weitere Vordringen.
Bevor ich nach Schweden kam, hatte ich das Wort skog vielfach
in Volksliedern und andern Gedichten gefunden, daneben das Wort lund.
Beide bedeuten Wald, nach dem Lexicon. Woher aber diese doppelte Be¬
zeichnung für denselben Gegenstand? — Nun wurde mir mit einem Male
der Unterschied klar. Skog ist der schwedische Urwald, jenes Gemisch
von Fels und Baumwald, Lund aber der reine Baumwald, der aus
fruchtbarem Erdreich sprießende, in dessen Schatten es sich wandeln läßt.
Daher wohnt der schwedische Troll und die Waldfrau (skogskru) niemals
in einem lund, sondern in dem unheimlichen skog. Wollen die Schweden
einen heitern, schattigen, beseligenden Aufenthalt malen, so sprechen sie von
einem lund; dagegen lautet der Kehrreim in einem Gedichte von Geiser:
Oe tär sä mörkt längt laugt dort i skogen.
Es ist so dunkel weit weit tief im Walde.