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viele Häuser in Petersburg, in denen mehrere tausend Menschen wohnen,
z. B. im Winterpalais 6000, im Hospital der Landtruppen 4000 (d. h.
Betten für eine gleiche Anzahl von Kranken), im Findelhause 7000 (Kin¬
der), im großen Cadettenhaus mehrere tausend junge Leute. Von manchen
Häusern haben die Besitzer eine Einnahme, wie sie manche Grafschaft nicht
trägt, denn einige bringen jährlich an 100,000 Rubel ein. Selbst unter
den Privathäusern sind viele, welche an Zahl und Weitläufigkeit der Ge¬
bäude, an Größe der einzelnen Flügel u. s. w. der Burg in Wien wenig
nachgeben. Ein Haus z. B., das ich öfters besuchte, bildet in seinem
Erdgeschoß einen Bazar, in dem Kaufleute alle tausend Bedürfnisse dieses
irdischen Lebens feilbieten, während auf der andern Seite eine Reihe deut¬
scher, französischer und englischer Künstler und Handwerker ihre Schilder
aushängen haben. In der Bel - Etage wohnen zwei Senatoren und die
Familien mehrerer reichen Partieuliers. In dem zweiten Stock befindet
sich eine berühmte pädagogische Anstalt und eine ziemliche Anzahl von Aka¬
demikern, Lehrern und Professoren, und in verschiedenen Hintergebäuden
hausen unter vielem obscurem Volke mehrere Majore, Obersten, einige ab¬
gedankte Generale, ein armenischer Priester und ein deutscher Prediger.
Die meisten Häuser in Petersburg sind bis jetzt nur zweistöckig, und
nur in den innersten Stadttheilen findet man drei - und vierstöckige. Die
Mehrzahl ist hölzern, denn die Russen haben eine gleiche Vorliebe für
niedrige und hölzerne Häuser, die auch in der That viele Vortheile ge¬
währen, namentlich in Hinsicht der Wärme. Die Regierung sucht aber
die hölzernen Häuser mehr und mehr zu verbannen, und in einigen
Stadttheilen sind sie ganz und gar verboten.
Das Bauen der Häuser ist in Petersburg kostspieliger als in jeder
andern Stadt des Reiches, weil die Nahrungsmittel und daher der Tage¬
lohn theurer sind als irgendwo; dann auch der Fundamentirung wegen.
Der schwammige und morastige Boden der Stadt macht es durchaus
nöthig, daß man zuvor ein ganzes Gerüst unter die Erde versenke, ehe
es möglich ist, daß eins über derselben erscheint. Alle größeren Gebäude
der Stadt ruhen auf Rosten von außerordentlich langen Bäumen, die
unten in festeren Schichten der Insel wurzeln.
Als Material bei den hölzernen Häusern bedient man sich natürlich
der Fichtenstämme, die nach der gewöhnlichen nordischen Weise über ein¬
ander gelegt werden; bei den steinernen aber der gebrannten Ziegel und
des sinnländischen Granits. Die Mauern, die man aus Ziegeln baut,
sind gewöhnlich von ungemeiner Dicke, und während man bei uns darüber
erstaunen muß, wie man hohe Gebäude mit so äußerst dünnen Mauern
aufzuführen wagt, hat man hier Gelegenheit, sich über die 5 — 6 Fuß
dicken Mauern der niedrigen Gebäude zu wundern. Alles wird mit un¬
glaublicher Schnelligkeit gebaut. Theils treibt die Kürze der für den Bau
günstigen Jahreszeit dazu, theils die Ungeduld der Russen, das Angefangene
fertig zu sehen. Dafür giebt es denn freilich auch eine Menge von Häu-