Full text: Charakterbilder aus Europa (Abt. 5)

148 Paris. 
schaut. Wir wollen in Gedanken unseren Einzug von W. her 
halten, wo die Seine, nachdem sie die Stadt durchflössen hat, 
einen großen Bogen nach N. macht. Da ist zwischen Strom 
und Stadt das angenehme Boulogner Wäldchen, bei gutem 
Wetter der Tummelplatz der vornehmen und reichen Pariser 
Welt. Wir bewegen uns eine Weile in all' dem Glanz und 
Getümmel und richten dann unsern Weg gegen O. Da haben 
wir eine breite, prachtvolle Straße vor uns, deren Ende wir 
nicht absehen können. Sie führt uns durch einen prächtigen 
Triumphbogen, von Napoleon I. erbaut. Wir folgen ihr und 
kommen durch die „Elysäischen Felder", einen schönen, von 
Menschen wimmelnden Park, zu dessen Rechten die Seine fließt. 
Weiter, immer derselben Straße folgend, kommen wir dnrch den 
Tnileriengarten. Hier stand früher das weitausgedehnte Tuile- 
rieufchloß, in welchem die Könige und Kaiser der neuesten Zeit 
wohnten. Lang zieht es sich mit seinen noch vorhandenen 
Flügeln an der Seine hin und verbindet sich hier mit dem 
Louvre, einem älteren Königsschlosse, dessen Säle die berühmten 
Sammlungen von Bildern, Bildsäulen und anderen Herrlich- 
keiten enthalten. Stadteinwärts nicht weit davon ist das Palais 
Royal, längst schon kein königliches Schloß mehr, wohl aber in 
seinen unzähligen, prächtigen Sälen, Läden und Restaurants der 
Ort, wo Tausende Einheimischer und Fremder das Köstlichste 
einkaufen, das Ausgesuchteste genießen, in allen ersinnlichen Ver- 
gnügungen ihr Geld verschwenden. Wenn die eitlen Franzosen 
sagen, Paris sei die Hauptstadt der Welt, so ist das allerdings 
in dem Sinne wahr, daß es wohl keine zweite Stadt gibt, wo 
der Mensch so sehr Gelegenheit hat, sich allen nur denkbaren 
Lebensgenüssen zu ergeben. Weiter, immer ostwärts, gehen 
wir am Ufer der Seine, zur Linken die prächtigsten Häuser- 
reihen; dann wenden wir uns rechts über eine der vielen schönen 
Brücken und sind nun auf der Seineinsel, wo vor bald zwei- 
tausend Jahren, zur Römerzeit, der Anfang der Stadt erstand, 
damals Lutetia genannt. Hier sehen wir die Notre Dame-Kirche 
mit ihren beiden schönen, aber nicht bis zur Spitze vollendeten 
Türmen. — d) Aus der südlichen Seite der Seine dehnt sich 
die kleinere Hälfte der schönen Stadt aus, da finden wir die 
Prachtgebäude, wo sich die Abgeordneten des Landes ver- 
sammelten, wo die Invaliden so stattlich wohnen, wo an der 
unteren Seine der ungeheure Paradeplatz, Marsfeld genannt,
	        
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