Kurze Uebersicht d. Geschichte d. europ. Völker. 127
bürg, ein Bergschloß in der Nähe der genannten
Stadt, gebracht, wo er unter dem Namen Lunker
Jürge anfangs so verborgen lebte, daß selbst
seine Freunde schon seinen Tod beweinten.
Lutber begann hier sein verdienstlichstes Werk,
die Uebersetzung der heiligen Schrift.
Bisher war diese sehr selten gewesen; Luther selbst
sahe sie in seinem zwanzigsten Lebensjahre zum er¬
sten Male; der gemeine Mann konnte sie gar nicht
lesen, weil cs noch an guten, in das Deutsche über¬
setzten Bibeln gänzlich fehlte. ■ Jetzt kann Jeder sich
belehren und erbauen durch das Lesen der heiligen
Schrift. Das verdanken wir dem großen Kirchen¬
verbesserer. Treu stellte er dar, was Christus ge¬
lehrt, was die Apostel niedergeschrieben hatten, in
einer allen verständlichen, und doch so edlen und
kräftigen Sprache. Und wie sehr beförderte nicht
dir Uebersetzung der Bibel das große Werk der Kir¬
chenverbesserung! — Konnte doch nun auch der ge¬
meine Mann sich überzeugen, daß, was Luther lehrte,
nur den Menschensatzungen widersprach, -aber ganz
übereinstimmte mit dem reinen und lautern Worte
der heiligen Schrift. Er gebrauchte zu der Vollen¬
dung dieser Arbeit an vierzehn Jahre; denn erst
1534 wurde die ganze heilige Schrift zum ersten
Male in Luthers deutscher Uebersetzung gedruckt. —
Während er hier im Stillen für das große
Werk arbeitete, drohte diesem eine neue unvorher-
gesehene Gefahr. Bis fetzt nämlich war nur in der
Lehre eine Veränderung vorgegangen; alles Aeußcre
und die ganze Art des Gottesdienstes waren unver-'
ändert geblieben, und dieß war gut. Denn von
selbst und allmählig mußte sich das Aeußere nach
den bessern Einsichten des Volkes von selbst umge¬
stalten. Schnelle und eigenmächtige Aenderungen
konnten nur schaden, weil der Mensch sich vorzüg¬
lich in Hinsicht desl Aeußern ungern von dem Ge¬
wohnten lossagt, ungern sich das rauben läßt,
was bisher zu seiner Erbauung beygetragen hat.