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Die Mörder waren zum Teil jene Gardisten, welche zur Feier des
Bastillesturmes nach Paris gekommen waren, zum Teil waren es Be¬
wohner von Paris, Handlungsgehilfen, Ladenbesitzer, Handwerker,
Fuhrleute, Handlanger, Hafenarbeiter, Lastträger, Tagelöhner, Hand¬
werksgesellen und Lehrlinge. Die meisten von ihnen waren sonst ganz
rechtschaffene Leute gewesen und meinten jetzt, sie müßten mithelfen,
um der Volksregierung einen Dienst zu erweisen. Daß sie ehrlich
waren, geht daraus hervor, daß sie anfangs nicht einmal daran dachten,
sich die Taschen zu füllen. Aber es konnte ja bei ihrer Mordarbeit
nicht ausbleiben, bei dem fortgesetzten Niedermachen der wehrlosen
Gefangenen mit Piken und Säbeln, daß die Mordlust in ihnen erwachte,
daß sie ganz und gar vertierten. Sie sangen bei ihrer Arbeit und
tanzten in den Gefängnissen. Sie versuchten, die Qualen der Ge¬
fangenen bei der Hinrichtung zu verlängern. Sie ließen die Neu¬
gierigen, welche dem Blutbade zusehen wollten, frühzeitig wecken,
damit sie an dem Feste teilnehmen konnten. Man stellte Bänke für
die Neugierigen auf, hier für die „Herren“ und dort für die „Damen“.
Man setzte auf jede Leiche eine Lampe, weil die Zuschauer die um¬
gebrachten „Aristokraten“ näher betrachten wollten. Die Mörder
töteten und tranken, dann töteten sie wieder und tranken wieder. Zu¬
letzt traten Abspannung und Stumpfsinn ein.
Sechs Tage dauerte das Schlachten ununterbrochen.
Wer die Stadt nicht verlassen hatte, dem drängten sich überall
traurige Bilder auf. In jeder Straße sah man Rotten, welche die
Verdächtigen ins Gefängnis und vor das Gericht führten. Vor jedem
Kerker hatten sich Leute angesammelt, welche hineinwollten, um das
Morden mit anzusehen. Tag und Nacht hörte man das Rollen der
Karren, welche die Leichname wegfuhren. Weiber stiegen hinauf und
sangen und schlugen den Takt dazu auf den nackten Leichen.
Was Wunder, daß jeder, der solche Dinge mit erlebte, sich selbst
schon als Opfer der jakobinischen Machthaber fühlte? Jedermann war
entmutigt; alle Zeitungen billigten, beschönigten oder verschwiegen die
Vorgänge. Die Blutbäder hatten ihren Zweck erfüllt; die Jakobiner
hatten in Paris ihre Herrschaft gesichert.
Sturz der Girondisten. Um Frankreich eine neue Ver¬
fassung zu geben, sollte nunmehr eine neue Versammlung zusammen¬
treten, der Nationalkonvent. Natürlich bemühten sich die Jakobiner,
möglichst viele Gesinnungsgenossen in die neue Versammlung hinein¬
zubringen. Damit man einen möglichst starken Druck auf die Wähler
ausüben konnte, wurden in Paris die Wahlen in den Sitzungssaal des
Jakobinerklubs verlegt. Wer nicht „gut“ stimmte, dem stand die
Laterne in Aussicht.
Aber trotz des starken Druckes, den die Jakobiner ausübten, fielen
die Wahlen zum Konvent nicht so aus, wie sie es wünschten. Als die
Sitzungen — man tagte im Theatersaal der Tuilerien — begannen,
fanden sich unter den 749 Abgeordneten nur etwa 50, welche damit
einverstanden waren, daß die Jakobiner den ehemaligen Stadtrat in
Paris mit Gewalt verdrängt hatten.
Freilich waren alle Konventsmitglieder Feinde des alten Staates,