Full text: Für Klasse 3 (achtes Schuljahr) und die Untertertia der Studienanstalten (Teil 7, [Schülerband])

die Geistlichen als Stand weder bequem noch besonders liebenswert, 
und selbst ihre Moralität war engherzig. Aber all dies Unrecht sühnten 
sie in den Zeiten der Armut, der Trübsal und Verfolgung, und unter 
ihnen am meisten die armen Dorfpfarrer. Sie waren den größten Ge¬ 
fahren ausgesetzt, den kaiserlichen Soldaten am meisten verhaßt, durch 
ihr Amt gezwungen, sich dem Feinde bemerkbar zu machen; die Roheiten, 
die sie, ihre Frauen und Töchter zu erdulden hatten, trafen tödlich 
ihr Ansehen in der eignen Gemeinde. Ihr Leben wurde durch die 
Beiträge ihrer Beichtkinder erhalten, sie waren nicht geübt und wenig 
geeignet, sich durch körperliche Arbeit die Tage zu fristen; unter jeder 
Verringerung des Wohlstands, der Sittlichkeit, der Menschenzahl ihres 
Dorfes hatten sie am meisten zu leiden. Man muß einer sehr großen 
Mehrzahl von ihnen das Zeugnis geben, daß sie alle diese Gefahren 
als echte Streiter Christi ertrugen. Die meisten hielten bei ihren Ge¬ 
meinden aus bis fast zum letzten Mann. Ihre Kirche wurde verwüstet 
und ausgebrannt, Kelch und Kruzifix gestohlen, der Altar beschmutzt, 
die Glocken vom Turm geworfen und weggeführt. Da hielten sie den 
Gottesdienst in einer Scheuer, auf freiem Feld, im grünen Waldversteck. 
Wenn die Gemeinde zusammenschmolz, daß der Gesang der Zuhörer 
aufhörte und kein Kantor mehr die Büßlieder intonierte, da riefen sie 
den Rest ihrer Beichtkinder noch zur Betstunde zusammen. Sie waren 
stark und eifrig im Trösten und Strafen, denn je größer das Elend 
war, desto mehr Grund zur Unzufriedenheit fanden sie auch in ihrer 
Gemeinde. Häufig waren sie die ersten, die von der Verwilderung 
der Dorfbewohner zu leiden hatten; Diebstahl und frecher Mutwille 
wurden am liebsten gegen solche geübt, deren zürnender Blick und feier¬ 
liche Klage am meisten imponiert hatten. 
Fast aus jedem Kirchdorf kann man Erinnerungen an die Leiden, 
die Ergebenheit und Ausdauer seiner Pfarrer zusammentragen. Freilich 
nur die Stärksten überwanden eine solche Zeit, ohne selbst zu verkümmern. 
14. Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst. 
Leopold von Ranke. 
Kurfürst Friedrich Wilhelm steht ebenbürtig in der Reihe der großen 
Geister, die das siebzehnte Jahrhundert in seinen religiösen und poli¬ 
tischen Kämpfen hervorgebracht hat. Gustav Adolf und Kardinal Riche¬ 
lieu waren von größerer Bedeutung für die Entscheidung der Welt¬ 
geschichte, Wallenstein unternehmender, Cromwell unergründlicher an¬
	        
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