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Ost- und Nordwinde ungehindert die Hochflächen bestreichen. Der
Winter ist deshalb hier viel kälter und von längerer Dauer als auf
dem Taunus. Der Schnee bedeckt oft mehrere Fuß hoch das Land,
und der Bauer muß nicht selten durch die gegen sein Haus gewehten
Schneemassen einen Gang graben, um ins Freie zu gelangen. Aus
den vielen Schnee, der bis weit ins Frühjahr hinein liegen bleibt,
deutet auch der Name Westerwald — Wisterwald = weißer Wald
hin. Der Winter dauert auf der Hochebene fast ein halbes Jahr.
Auch der Sommer ist auf dem Westerwalds rauher als in den
meisten andern Gegenden unserer Provinz. Die vom atlantischen
Ozean kommenden Westwinde bringen viel Regen mit, und der un-
durchlässige Boden hält die Nässe sest. Trübe, regnerische Sommer
und naßkalte, stürmische Herbsttage sind deshalb auf dem Wester-
walde die Regel. Zwar hat man versucht, durch Schutzhecken aus
Nadelgehölz die Gewalt der Winde zu brechen und durch Ent-
wässerungsanlagen die Bodennässe zu mindern; allein ein hinreichender
Erfolg ist diesen Bemühungen bisher nicht geworden.
Bodennutzung. Das rauhe Klima und die große Erdseuchtigkeit
beeinträchtigen in hohem Grade die Nutzung des teilweise sehr srucht-
baren Bodens. Die Thalgründe sind trotz aller Entwässeruugs-
anlagen zum Ackerbau meist zu naß; sie bilden aber vorzügliche
Wiesen. Als Ackerland dienen besonders die Berghänge und
höheren Ebenen. Man baut Hafer, Gerste, Flachs, Rübenarten und
namentlich Kartoffeln, die in trockenen Jahren recht gut gedeihen.
Da aber gerade die höher gelegenen Striche viel unter dem rauhen
Klima zu leiden haben, so ist der Ackerbau aus dem Westerwalds
— abgesehen vom Anbau der Kartoffeln — von geringer Bedeutung.
Noch mehr wird der Obstbau durch die ungünstige Witterung ge-
hindert. Aus sreiem Felde kommt ein Obstbaum kaum fort. Selbst
die an geschützten Stellen gewachsenen Früchte sind von geringer
Güte. Vom Obstbau auf dem Westerwalde gilt das Wort: „Die
Kirschen auf dem Westerwalde brauchen zwei Jahre zu ihrer Reife;
in dem ersten Jahre werden sie auf der einen Seite rot, im zweiten
auf der andern." Die ausgedehnten Wiesenflächen aus dem Gebirge
ermöglichen eine sehr bedeutende Viehzucht. Das Westerwälder
Rindvieh ist vortrefflich und wird so zahlreich gehalten, daß all-
jährlich viele Sendungen von setten Ochsen nach den großen rheinischen
Städten gehen. Wiesenbau und Viehzucht sind mit die wichtigsten
Einnahmequellen des Westerwälders. Auch die Forst Wirtschaft
giebt vielen Bewohnern des Gebirges ihren Unterhalt. Trotz starker
Rodung aus den höchsten Teilen des Westerwaldes ist noch reichlich
V3 des ganzen Gebietes mit Wald bedeckt. Größere Forsten sind
besonders an der oberen Lahn und aus der Montabaurer Höhe.
Nutzbare Mineralien. An nutzbaren Mineralien ist der Wester-
wald noch reicher als der Taunus. Viele Basaltbrüche liefern ein
wertvolles Gestein zum Bau der Straßen. Braunkohlen gewinnt
man in großen Mengen unweit der höchsten Erhebungen ^es Ge-
birges bei Marienberg, Rennerod und Herborn wie auch im Kreise