Erzgebirge und sächsisches Elbegebiet.
71
Die dicht besiedelten und ungewöhnlich hoch gelegenen Bergmanns-
tolonien mußten infolge des Rückgangs bergmännischer Ausbeute zu
allerlei Hausgewerben greifen, bei denen leider auch die Kinderarbeit
ihre Rolle spielt.
„So verbreitete sich in A n n a b e r g das Spitzenklöppeln, in B u ch h o l z
die Posamenten- (Borten-, Quasten-, Schnuren-) Verfertigung, in Eibenstock
das Tamburieren (Stricken mit der Häkelnadel), in S e i f f e n und G r ü n Hai¬
nichen die Verfertigung von Holz- und Spielwaren. Auch andere Zweige ge¬
werblicher Tätigkeit fanden Eingang, so die Verfertigung von Uhren in Carls-
f e l d , von Blechwaren in Schwarzenfeld, von Bürsten- und Pinselwaren
in S ch ö n h e i d e , die Kunsttischlerei und die Handschuhnäherei in Johann-
georgenstadt, die Korbmacherei in Lauter und B o ck a u, die Stroh¬
flechterei im östlichen Erzgebirge."
In der tieferen oder unteren Zone des Erzge¬
birges und auch in jenen Strichen, wo reiche Kohlen- und noch immer
beträchtliche Silberlager im Erdenschoße ruhen, lohnt sich bei günstigeren
Witterungs- und Bodenverhältnissen die Landwirtschaft in höherem Maße.
Innerhalb der beiden Steinkohlenmulden von Zwickau bis Chemnitz und
um Plauen (Produktion in 25 Betrieben mit 26 000 Arbeitern und einer
jährlichen Förderung von rund 5 Millionen Tonnen im Werte von fast
70 Millionen Mark) erreicht denn auch die Dichte der Besiedelung Sachsens
und die Entwicklung des Großgewerbes einen Grad, wie man ihn im
Reiche nur noch in den Industriezentren des Rheinlandes und Schlesiens
wahrnimmt. „Ackerbaudörfer auf der fruchtbaren Oberfläche der be¬
sagten Kohlenmulde sind in volkreiche Fabrikdörser verwandelt worden
und in der Umgebung von Zwickau erhob sich eine ganze Reihe früher
bedeutungsloser Kleinstädte, wie Glauchau, Meerane, Crim¬
mitschau, Reichenbach, zu wichtigen Sitzen der Fabrikation
von Woll- und Baumwollwaren."
Zwickau (74) selbst erzeugt große Mengen von Koks-, Ton-, Porzellan- und
Glaswaren, Erd- und Ölfarben, dazu Lacke und Firnisse, aber auch Webwaren und
Maschinen. Doch befindet sich das hervorragendste Eisenwerk Sachsens weder hier
noch in Chemnitz, sondern in Cainsdorf (Königin-Marien-Hütte). — Chemnitz
(287), das deutsche Manchester, und seine Umgebung treibt großartigen Maschinen¬
bau, vor allem in der „Sächsischen Maschinenfabrik" (ungefähr 3000 Arbeiter), ferner
Baumwollspinnerei, die Fabrikation von Kattun, Kleider- und Möbelstoffen sowie
Strumpfwirkerei.
Die hochentwickelte großgewerbliche Tätigkeit am unteren Erzgebirge findet
auf dem Gebiete der Montanindustrie eine Ergänzung durch den vorbildlichen Abbau
von Silber um F r e i b e r g mit seiner über das ganze Erdenrund bekannten Berg¬
akademie. (Auch Herstellung von Gold- und Silberdraht.)
Das sächsische Hügelland bildet den Übergang von den in¬
dustriellen Gegenden am Fuße des Erzgebirges zu den Ackergeländen des
norddeutschen Tieflandes. Ihm fehlen Kohlen und Erze; dagegen besitzt
es weithin löß- und lehmbedeckte Gründe von außerordentlicher Frucht¬
barkeit.