Full text: Deutsche Geschichte bis 1648 (Teil 1)

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hatten unter Ferdinand I. und Max II. ruhig ihres Glaubens gelebt, aber 
unter dem Jesuitenschüler Rudolf II. begannen die kaiserlichen Beamten 
die Gegenreformation. Die böhmischen Stände (b. h. die Adligen und 
Städte) versammelten sich endlich in Prag, und da sie mit Bitten ihr 
Recht nicht erlangten, zogen sie ihre Truppen zusammen, um Gewalt zu 
gebrauchen. Rudolf fürchtete seine Absetzung und gewährte daher den 
Böhmen den sogenannten Majestätsbrief, eine feierliche Urkunde, worin 
er versprach: 1. Niemand sollte mit Gewalt von seiner Religion ab- 
gewendet und zu einer andern gezwungen werden. 2. Die Adligen und 
Städte durften in ihren Bezirken Kirchen und Schulen bauen. — Dieser 
Brief hatte für Böhmen die Bedeutung, wie für Deutschland der Augs- 
burger Religionsfriede. 
6. Der Jülichsche Erbfolgestrelt. Der Herzog von Jülich war 
gestorben, und um sein Erbe stritten sich Johann Sigismund von 
Brandenburg und Wolfgang von Pfalz-Neuburg. Um sich Verbündete 
zu gewinnen, trat Johann Sigismund zum Calvinismus über und 
erhielt die Hilfe der Union und der Niederländer; Wolfgang trat zum 
Katholizismus über und erhielt den Beistand der Liga. — So standen 
sich beide kirchlichen Parteien kampfbereit gegenüber, und es schien, als sollte 
jetzt schon der große Religionskrieg losbrechen. Aber 1614 einigten sich 
beide Fürsten, indem sie die streitigen Länder unter sich teilten. Das 
Schwert blieb noch auf vier Jahre in der Scheide. 
11. Der Dreißigjährige Krieg. 1618—1648. 
A. Die Niederwerfung der Protestanten durch den Kaiser. 1618—1629. 
I. Der böhmische Krieg 1618—21. 1. Ursache und Veranlassung. 
Kaiser Rudolf war 1612 gestorben, und sein Bruder Matthias (1612—19)^ 
war ihm gefolgt. Er wohnte nicht in Prag, sondern in Wien; Böhmen 
ließ er durch katholische Statthalter verwalten, unter denen Märtinitz und 
Slawata die bittersten Feinde der Evangelischen waren. Diese machten 
damals 95 °/0 der Einwohner Böhmens aus; besonders der Adel war fast 
ganz evangelisch. Trotz des Majestätsbriefes erließen die Statthalter eine 
Reihe von Verordnungen, wodurch die Religionsfreiheit der Evangelischen 
angetastet wurde. Das Drucken evangelischer Schriften wurde verboten. 
Die Ehen der evangelischen Prediger wurden für ungesetzlich erklärt, ihre 
Kinder als uneheliche behandelt. Aus den Staatsämtern wurden alle 
Evangelischen entfernt. Man zwang Protestanten zur Teilnahme an 
Prozessionen, wie zur katholischen Ohrenbeichte. Man entriß evangelischen
	        
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