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hatten unter Ferdinand I. und Max II. ruhig ihres Glaubens gelebt, aber
unter dem Jesuitenschüler Rudolf II. begannen die kaiserlichen Beamten
die Gegenreformation. Die böhmischen Stände (b. h. die Adligen und
Städte) versammelten sich endlich in Prag, und da sie mit Bitten ihr
Recht nicht erlangten, zogen sie ihre Truppen zusammen, um Gewalt zu
gebrauchen. Rudolf fürchtete seine Absetzung und gewährte daher den
Böhmen den sogenannten Majestätsbrief, eine feierliche Urkunde, worin
er versprach: 1. Niemand sollte mit Gewalt von seiner Religion ab-
gewendet und zu einer andern gezwungen werden. 2. Die Adligen und
Städte durften in ihren Bezirken Kirchen und Schulen bauen. — Dieser
Brief hatte für Böhmen die Bedeutung, wie für Deutschland der Augs-
burger Religionsfriede.
6. Der Jülichsche Erbfolgestrelt. Der Herzog von Jülich war
gestorben, und um sein Erbe stritten sich Johann Sigismund von
Brandenburg und Wolfgang von Pfalz-Neuburg. Um sich Verbündete
zu gewinnen, trat Johann Sigismund zum Calvinismus über und
erhielt die Hilfe der Union und der Niederländer; Wolfgang trat zum
Katholizismus über und erhielt den Beistand der Liga. — So standen
sich beide kirchlichen Parteien kampfbereit gegenüber, und es schien, als sollte
jetzt schon der große Religionskrieg losbrechen. Aber 1614 einigten sich
beide Fürsten, indem sie die streitigen Länder unter sich teilten. Das
Schwert blieb noch auf vier Jahre in der Scheide.
11. Der Dreißigjährige Krieg. 1618—1648.
A. Die Niederwerfung der Protestanten durch den Kaiser. 1618—1629.
I. Der böhmische Krieg 1618—21. 1. Ursache und Veranlassung.
Kaiser Rudolf war 1612 gestorben, und sein Bruder Matthias (1612—19)^
war ihm gefolgt. Er wohnte nicht in Prag, sondern in Wien; Böhmen
ließ er durch katholische Statthalter verwalten, unter denen Märtinitz und
Slawata die bittersten Feinde der Evangelischen waren. Diese machten
damals 95 °/0 der Einwohner Böhmens aus; besonders der Adel war fast
ganz evangelisch. Trotz des Majestätsbriefes erließen die Statthalter eine
Reihe von Verordnungen, wodurch die Religionsfreiheit der Evangelischen
angetastet wurde. Das Drucken evangelischer Schriften wurde verboten.
Die Ehen der evangelischen Prediger wurden für ungesetzlich erklärt, ihre
Kinder als uneheliche behandelt. Aus den Staatsämtern wurden alle
Evangelischen entfernt. Man zwang Protestanten zur Teilnahme an
Prozessionen, wie zur katholischen Ohrenbeichte. Man entriß evangelischen