Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

21 102. Die deutsche Erhebung 1813. 
zum Opfer gebracht hatte; ein armes schlesisches Fräulein brachte den 
Erlös ihres schönen Haupthaares. Was an Geld und Gut nur irgend 
entbehrlich schien, ward willig dahingegeben. Die Zahl der Trauringe 
und Schmucksachen, die damals eingingen, wird auf 160000 geschätzt. 
Wer einen goldenen Ring gab, erhielt einen eisernen mit der Inschrift: 
„Gold gab ich für Eisen, 1813* 
Dazwischen hinein erklangen die Kampflieder Theodor Körners: 
„Frisch auf, mein Volk! die Flammenzeichen rauchen!“ und gleich einem 
Orkan brauste es durch die Lande: „Das Volk steht auf, der Sturm 
bricht los!“ In die Herzen von hoch und niedrig aber zog gläubiges 
Gottvertrauen und todesmutige Zuversicht ein Und Theodor Körner, 
der junge Dichter, der herzerhebend das Volk zu den Waffen gerufen, 
er selbst stellte sich bald darauf in die Reihen der Freiheitskämpfer, 
und gab sein Leben hin für sein Vaterland. Neben seiner Leier tönte 
am erhebendsten Arndts Stimme im Chor der deutschen Freiheits— 
sänger. Wie er in den Jahren der Knechtschaft gleich einem Propheten 
des alten Bundes mit donnernder Rede Fürsten und Völkern in das 
Gewissen gesprochen, so begleiteten im Jahre 1813 seine Gesänge das 
bewaffnete Volk zur heißen Feldschlacht. Von Mund zu Mund, soweit 
die deutsche Zunge klingt, gingen seine Dichtungen: „Es zog aus Berlin 
ein tapfrer Held“, „Deutsches Herz verzage nicht“, „Durch Deutschland 
flog ein heller Klang“, „Was blasen die Trompeten? Husaren heraus!“ 
Vor allen aber zündete sein zu Königsberg entstandenes Lied: „Was 
ist des Deutschen Vaterland?“ — Die Jahrhunderte alte Sehnsucht des 
deutschen Volkes nach Einigung fand darin den kernigsten, gewaltigsten 
Ausdruck 
Auch der fromme Max v. Schenkendorf, Friedrich Rückert 
und noch manche andere riefen das Volk durch begeisternde Lieder zum 
Kampfe für seine höchsten Güter auf. Es war eine erhebende, lichte Zeit 
nach den trüben Tagen des Druckes und der Knechtung. 
(Aus Kaiser Wilhelm“ v. Ferd. Schmidt u. Fr. Otto.) 
Ergänzungen, Nachdem Napoleon 1816 zum zweitenmale besiegt war, kehrten 
die Bourbonen wieder nach Frankreich zurück. In Deutschland wurde die Kaiser 
würde nicht wieder hergestellt, ondern ein aus 39 einzelnen souveränen Staaten bestehender 
Staatenbund gegründet. Vertreten war dieser Staatenbund durch den Bundes— 
tag in Frankfurt a. M.,, der aus den Gesandten der verschiedenen Staaten zusammen⸗ 
gesetzt war. Das Präsidium stund Osterreich zu. Von 1816 an erfreute sich Deutsch— 
land einer langen Friedenszeit, in der vieles für Förderung des Volkswohles geschaffen 
und große Fortschritte auf dem Gebiete der Wissenschaften und Künste, der Rechtspflege 
und Volksbildung, des Gewerbs- und Verkehrswesens erzielt wurden. 
In Bayern wirkten segensreich König Maximilian J. Joseph (1799 1805 
Kurfürst, v. 106—25 König), der dem Lande 1818 eine zeitgemäße Verfassung gab, 
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