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Prinzessin in Berlin daran gearbeitet, die Kluft zwischen
Hof und Volk auszufüllen. Sie war eine musterhafte
Mutter, die kein dringenderes Geschäft kannte, als die
sorgfältigste Erziehung ihrer Kinder, unter denen ihr
Prinz Wilhelm, geb am 22. März 1797, von früh
auf besondere Freude bereitete. In den Unglücksjahren
war Luise des Königs Stütze und ein vielbewundertes
Vorbild in würdevollem Ausharren. Sie gewann es über
sich, während der Tilsiter Friedensverhandlungen von
Napoleon persönlich Schonung für Preußen zu erbitten. Mit
strahlender Würde ertrug sie feine übermütigen Ant¬
worten. " Leider hat sie Deutschlands Befreiung nicht
mehr erlebt. Zum größten Schmerze ihres Gemahls, der
Kinder und des gesamten Volkes starb sie gebrochenen
Herzens im Juli 1810. Aber ihr Andenken ist unver¬
gänglich. Fast jeder Deutsche unserer Tage, der in Berlin
gewesen, hat im Mausoleum zu Charlottenburg an ihrem
und ihres Gemahls herrlichen Grabdenkmale in andächtiger
Erinnerung gestanden. Das schönste Denkmal aber setzte
sich die Königin Luise selbst im treuen Herzen ihres
großen Sohnes, unseres Heldenkaisers Wilhelm.
Bald nach dem Tilsiter Frieden begann die Wiedergeburt
des tiefgesunkenen preußischen Staates. Der König be¬
rief den edlen 3^eichsfreiherrn vom Stein, der früher
vergeblich Verbesserungen vom Könige gefordert hatte, von
neuem in das Ministerium. Dieser schaffte die Erb-
unterthänigfeit der Bauern ab und gab den Städten
-) Bei dieser Gelegenheit hat die Oberhosmeisterin folgende
Schilderung von Napoleon entworfen: „Er ist auffallend häßlich, ein
dickes, aufgedunsenes, braunes Gesicht; dabei ist er korpulent, klein
und ganz ohne Figur; seine großen runden Augen rollen unheimlich
umher; der Ausdruck seiner Züge ist Härte; er sieht aus wie die
Verkörperung des Erfolges. Nur der Mund ist schön geschnitten, und
auch die Zähne sind schön."