Full text: Heimatkunde und Arbeitsschule

6 A. Theoretischer Teil 
erleben, Selbfterarbeiten verlangte, machen die Schüler schon Drechsler- 
und Tischlerarbeiten, fertigen Papparbeiten und kneten in Ton. Auch 
Herbart hat den wert der Arbeit erkannt. Vor allem aber waren es 
Fröbel und von Schenkendorff, Görlitz, die die „Tat" als die erste Menschen- 
erziehung priesen und Handarbeit in die Schulen aufgenommen wissen 
wollten. Rls die Begründer der Arbeitsschule pflegt man Hertel, Zwickau- 
Scherer, Worms- Dr. pabst, Leipzig - Brücfmann, Königsberg u. a. anzu¬ 
sprechen. 
fluch die Behörden haben dem Geist der Neuzeit Rechnung getragen. 
Die humanistischen Gymnasien werden immer mehr ihres früheren Tha- 
rakters entkleidet und besonders in kleineren Städten in Realgymnasien 
umgewandelt. In größeren Städten erfreuen sich die Keformgymnasien 
eines immer größeren Zuspruches. Die Behörde ordnete verschiedentlich 
eine stärkere Betonung der Volkswirtschaftslehre, der Naturkunde und der 
Körperpflege an. Durch den Ministerialerlaß vom 12. Juni 1902 wurde 
der Zeichenunterricht umgestaltet. Der Erlaß vom 31. Januar 1908 for¬ 
dert das Anfertigen von selbständigen kurzen Niederschriften, den freien 
Aufsatz, die Beschränkung der katechetischen Lehrweise und die Gewöhnung 
der Rinder an zusammenhängenden Ausdruck. Außerdem wurde die dritte 
Turnstunde, das Mädchenturnen und das Iehnminutenturnen in den Stun- 
denplan eingefügt und durch den Ministerialerlaß vom 18. Januar 1911 
die Jugendpflege in großzügiger weise geordnet. Dagegen lehnt der Herr 
Minister durch Erlaß vom 25. März 1911 den Werkunterricht als beson- 
deres Fach ab - körperliches Gestalten soll vielmehr überall da auftreten, 
„wo eine eindringlichere veranschaulichung erforderlich erscheint, oder wo 
der Gegenstand selbst das Kind zu eigener gestaltender Tätigkeit anregt". 
Ebenso wird die spielende Behandlung des Schreiblesens (Stäbchen-, Erbsen- 
legen u. a.) zu verwerfen sein. 
In den „pädagogischen Blättern" (Gotha 1911, I. Heft) deutet Se- 
minardirektor Dr. Seyfert-Zfchopau die Stufen des Bildungsganges 
folgendermaßen an: „Denken und Ausdruck beim Rinde sind naiv, beim 
heranwachsenden Rnaben und beim gewöhnlichen Manne volkstümlich,' bei 
den höheren Berufsarten ist das Denken wissenschaftlich, der Ausdruck künst- 
lerisch. In diesen drei großen Stufen muß sich jeder planmäßige Bildungs- 
gang bewegen. Jeder Stufe entspricht eine Art der Betätigung: dem Naiven 
das Spiel, dem volkstümlichen die gemeinbürgerliche Arbeit, dem höheren 
das wissenschaftliche und künstlerische Schaffen. Des Rindes Tun vor der 
Schulzeit sei reines Spiel. Die Elementarstufe der Schule führe das Rind 
vom Spiel allmählich zur Arbeit. Dem heranreifenden Rnaben aber zeige 
man die Aufgaben der gemeinschaftlichen Arbeit - an ihr übe man sein Den- 
ken, seinen Ausdruck, sein handeln. Für diese Stufe ist systematische wissen- 
schaftlichkeit, auch sogenannte elementarisierte wissenschaftlichkeit, abzu- 
lehnen."
	        
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