teils Ausblicke gewährend nach fernen, duftumflossenen Höhenzügen und
in grüne Täler, in denen friedliche Ortschaften eingebettet sind. Nicht
ein Laut dringt heraus von den belebten Arbeitsstätten, wo die Säge
kreischt und die Drehbank klappert, oder wo Schmiedefeuer glühen und
die Hämmer den Takt schlagen. Außer dem Schrei des Wildvogels
oder dem Gesang der Waldvögel schallt nur der Axtschlag durch den
Wald, der manchen Jahrhunderte alten Baum trifft, um ihn dem
heimatlichen Boden zu entreißen; oder es tönt ein metallischer Klang
herauf, der von Männern herrührt, die das Schiefergestein absprengen,
um es zu Tafeln oder Griffeln zu verarbeiten.
Wo aber der Bergpfad dem Kamme folgt, der immer schmaler
wird, und von dessen Flanken sich tiefe Täler einschluchten, deren
obere Mulden fast bis zum Rennsteig selbst reichen, da nimmt der
Wald eine freundliche Färbung an: Tannen und Fichten bleiben zurück,
und über dem Dickicht der Beerensträucher streben leuchtende Buchen
empor. Ihre Baumkronen wölben sich wie gotische Dome, durch deren
Maßwerk die Sonne goldene Lichter sendet, und aus dem grünen
Laube singt und jubelt es in vielstimmigem Gesänge. Malerischer
und bewegter sind hier die Formen des Gebirges, und es erschließt
sich hier der anmutigste und gepriesenste Teil des Thüringerwaldes:
in den Waldtälern trauliche Ortschaften, aus den Höhen so manche
zerborstene Burg. Am herrlichsten von allen aber grüßt die Wart¬
burg herab, von deren wunderbarer Vergangenheit Sagen und Lieder
erzählen. In dichterischem Glanze erscheinen Ritter und Edelfrauen,
die Säle hallen von Waffenklang und Sängerstreit wider, es er¬
klingen Eisenspeere und Minnelieder, und wenn der Abendsonne
Gold hinter den Höhen des Ringgaus verglüht, des Mondes Silber¬
strahlen über die rauschenden Buchenwipfel fluten, dann singt und
klingt es dem kundigen Wanderer wie Erinnerung aus blühendem
Mittelalter.
Wo die Gewässer des Gebirges südwärts fließen, breitet sich in
hellem Duft das Werratal aus, geziert von mancher lebensfrohen Stadt.
Auch hier grüßen von den Vorbergen altersgraue Rittersitze, und am
glänzenden Flusse ragen verlassene Klosterhallen empor, bekränzt vom
dunklen Efeu oder vom wilden Wein; aber vom verfallenen Turme
läutet frommen Wallfahrern keine Glocke mehr. Dort dehnen sich die
geschichtsreichen und doch heute so stillen Gelände des alten Grabfeld¬
gaues. Im Südosten aber ragt die schöne kleine Hauptstadt Coburg
aus üppigen Gärten mit ihrem Kranze von Bergen und Burgen, die
hinüberschauen in die blühenden Gefilde des Maintals.